„Unterschiede gibt es keine mehr“
Ein Drittel des Teamkaders kommt aus der heimischen Liga. Die Gleichstellung mit den Legionären soll bereits vollzogen sein.
Die Bewegungsabläufe sind einstudiert und werden sorgsam überwacht. Erster Programmpunkt des Trainings der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft ist die Beinarbeit. „Schneller, langsamer, spazieren.“Die Spieler folgen auf einem der mit perfektem Grün überzogenen Übungsplätze des Marbella Football Centers brav und konzentriert den Anweisungen von Fitnesscoach Martin Hämmerle. Anschließend übernimmt sein Kollege Gerhard Zallinger. Der Sportwissenschafter gehört schon seit 2011 dem ÖFB-Betreuerstab an, und inzwischen ist der Ball ins Spiel gekommen. Er rollt mustergültig, an den Flanken wird das Geschehen aufmerksam verfolgt von Teamchef Ralf Rangnick und seinem Assistenten Lars Kornetka. Erst dann geht es ans Eingemachte, doch taktische Übungen, Spielabläufe, Standards, etc. unterliegen strikter Geheimhaltung. Beobachter
von außen geraten sofort unter Spionageverdacht.
Es gilt, den Kader zu einer möglichst homogenen Partie zu formen, eine Einheit herzustellen, schließlich stoßen relativ viele Vertreter der österreichischen Bundesliga, nämlich acht, auf geballte internationale Erfahrung, repräsentiert durch die sogenannten Legionäre. 13 davon, exakt die Hälfte des aktuellen Aufgebots, dürfen in der deutschen Bundesliga ihrer Leidenschaft nachgehen, zwei, Kevin Danso und Muhammed Cham, kicken in Frankreich, je einer spielt in Italien (Stefan Posch), England (Andreas Weimann) und Dänemark (Patrick Pentz).
Es ist ein ungewohntes Bild, denn in den vergangenen EM-Jahren war die heimische Meisterschaft im Nationalteam so gut wie nicht präsent. Nur ein bzw. zwei Spieler der Euro-Kader entstammten 2016 und 2021 der rotweiß-roten Bundesliga. Dass dieser Anteil unter Ralf Rangnick auf aktuell fast ein Drittel anstieg, muss natürlich auch als Folge der Verletzungen von David Alaba, Marko Arnautovic, Sasa Kalajdzic und Co gesehen werden. Läuft Österreich also auf Notstrom, zumal sich mit dem Ausscheiden des SK Sturm aus der Conference League die Bundesliga bereits vollständig von der laufenden EuropacupSaison verabschiedet und den fixen Champions-League-Platz für die Saison 2025/26 mittlerweile verloren hat?
Dieser Befund drängt sich zwar auf, würde aber zumindest voreilig gestellt werden. Denn
die Integration geht im Übungsalltag des Teamcamps laut Trainer-Angaben einwandfrei über die Bühne. „Es funktioniert problemlos, denn es gibt keine Unterschiede mehr“, sagt Kornetka. Das betreffe die Technik ebenso wie das Tempo und darf wohl ungeachtet aller möglichen Vorbehalte als Auszeichnung für das Niveau der Liga verstanden werden. Zudem kann das Anforderungsprofil für einen Nationalteamspieler nicht plötzlich auf ein Mindestmaß an Niveau reduziert worden sein. Und auch unter den derzeit Abwesenden befinden sich mit Sturms Manprit Sarkaria, Salzburgs Samson Baidoo sowie den tief gefallenen und daher (zumindest vorerst) exkommunizierten RapidProtagonisten
weitere Kandidaten.
Von der Aktivenseite folgt umgehend die Bestätigung der Trainermeinung. „Die Intensität ist hoch, jeder ist extrem motiviert und will sich zeigen“, sagt Christoph Baumgartner, der keine Ausnahmen zulässt. „Das gilt auch für die Spieler aus Österreichs Bundesliga. Sie fallen nicht im Geringsten ab. Das zeigt, dass die Liga in den letzten Jahren sehr viel an Qualität zugenommen hat“, meint der Leipzig-Legionär. Die Kader-Mitgliedschaft bedeutet natürlich nicht das Start-Leiberl, abgesehen von Salzburg-Torhüter Alex Schlager. Aber der eine oder andere wird in den Tests von Rangnick seine Chance erhalten.