„Haben Putin vor Atomeinsatz gewarnt“
Sollte das neutrale Österreich angegriffen werden, würden die USA „nicht tatenlos zuschauen“, so US-Nato-Botschafterin Smith.
Als US-Botschafterin bei der Nato und langjährige Berater von US-Präsident Biden sind Sie permanent damit befasst, wie verhindert werden kann, dass Putin die Ukraine erobert. Wie sehen Sie Österreich? Empfinden Sie uns militärisch nicht als Trittbrettfahrer?
JULIANNE SMITH: Jedes Land, auch Österreich, entscheidet selbst, wie es die Ukraine unterstützt, ob militärisch, wirtschaftlich oder humanitär. Österreich leistet bei der Aufnahme von Flüchtlingen hervorragende Arbeit. Wir schreiben Ländern nicht vor, was sie tun sollen. Entscheidend ist, dass wir gemeinsam eine Lanze für die UN-Charta brechen, die die territoriale Souveränität aller Länder garantiert. Wir sind nicht hier, um Kritik zu üben, sondern um Danke zu sagen.
Schweden und Finnland sind der Nato beigetreten. Sind Sie enttäuscht, dass Österreich nicht dem Beispiel gefolgt ist? Jedes Land entscheidet selbst, ob es der Nato beitritt oder nicht. Wir begrüßen die Partnerschaft, die Österreich mit der Nato eingegangen ist, vor allem die Beiträge, die Österreich am Balkan leistet.
Kanzler Nehammer hat sich neuerlich für Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew ausgesprochen. Wie sehen die USA diesen Vorstoß?
Es gibt ein Land, das den Krieg sofort beenden kann: Russland. Vergessen wir nicht: Russland hat die Ukraine überfallen und ist der Aggressor. Eines Tages wird es Verhandlungen geben, um den Krieg zu beenden. Wann der Moment gekommen ist, entscheiden nicht
die USA. Die Entscheidung liegt bei Präsident Wolodymyr Selenskyj. Wir unterstützen seinen Friedensplan. Es gibt keine Hinweise, dass Russland an echten Verhandlungen interessiert ist.
Zahlreiche Sicherheitsexperten befürchten, dass Putin das Baltikum oder Moldawien angreifen könnte. Ist das eine reale Gefahr oder Panikmache?
Die Geschichte lehrt uns, wenn Diktatoren nicht gestoppt werden, machen sie weiter. Wir müssen alles tun, damit sich Putin nicht in der Ukraine durchsetzt und dann auf andere Ideen kommt. Die Nato wartet nicht, sondern ist gerade dabei, ihre Ostflanke militärisch abzusichern. Wir haben zehntausende Soldaten in die Region verlegt.
Putin droht immer wieder mit der nuklearen Option. Ist das ernst zu nehmen?
Das muss man sehr ernst nehmen. Wir überwachen die Entwicklung in Russland sehr, sehr genau. Es gibt zum heutigen Zeitpunkt keine Hinweise, dass Russland den Einsatz von Atomwaffen oder taktischen Atomwaffen vorbereitet. Wir werden allen tun, dass es so bleibt. Sollte sich auf russischer Seite etwas ändern, würden wir sofort reagieren. Haben die USA in den letzten zwei Jahren Putin nicht wiederholt signalisiert, dass der Einsatz von Atomwaffen nicht ohne Folgen bleiben würde?
Wir haben Moskau einige Male sehr deutlich gemacht, dass der Einsatz von Atomwaffen schwere Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Was ist, wenn Trump die Wahl gewinnt? Wird sich die US-Politik gegenüber Europa ändern? Ich will keine Prognosen über den Wahlausgang abgeben. Laut jüngsten Umfragen wächst die Unterstützung der Amerikaner für die Nato. Es gibt eine Mehrheit, die hinter der Ukraine steht. Es gibt im Kongress einige Abgeordnete, die das anders sehen, die Mehrheit ist auf einer Linie.
Was halten Sie von einer EUArmee?
Wir begrüßen es, dass die EU verstärkt ihr Augenmerk auf Rüstungs- und Verteidigungsaufgaben legt. Wir glauben, dass es keinen Sinn macht, doppelte militärische Strukturen zu schaffen. Die EU und die Nato arbeiten ohnehin sehr eng zusammen.
Die Nato kennt die Beistandspflicht. Was ist, wenn Österreich angegriffen wird, mit Drohnen oder anderem aus der Luft? Gilt dann auch die Beistandspflicht? Die Beistandspflicht gilt nur für Mitglieder der Allianz, das sind die Kronjuwelen.
Was machen die USA, sollte Österreich, das nicht der Nato angehört, angegriffen werden? Ich will nicht spekulieren. Österreich ist ein enger Partner der USA. Wir würden nicht tatenlos zuschauen.