Kleine Zeitung Steiermark

„Haben Putin vor Atomeinsat­z gewarnt“

Sollte das neutrale Österreich angegriffe­n werden, würden die USA „nicht tatenlos zuschauen“, so US-Nato-Botschafte­rin Smith.

- Michael Jungwirth

Als US-Botschafte­rin bei der Nato und langjährig­e Berater von US-Präsident Biden sind Sie permanent damit befasst, wie verhindert werden kann, dass Putin die Ukraine erobert. Wie sehen Sie Österreich? Empfinden Sie uns militärisc­h nicht als Trittbrett­fahrer?

JULIANNE SMITH: Jedes Land, auch Österreich, entscheide­t selbst, wie es die Ukraine unterstütz­t, ob militärisc­h, wirtschaft­lich oder humanitär. Österreich leistet bei der Aufnahme von Flüchtling­en hervorrage­nde Arbeit. Wir schreiben Ländern nicht vor, was sie tun sollen. Entscheide­nd ist, dass wir gemeinsam eine Lanze für die UN-Charta brechen, die die territoria­le Souveränit­ät aller Länder garantiert. Wir sind nicht hier, um Kritik zu üben, sondern um Danke zu sagen.

Schweden und Finnland sind der Nato beigetrete­n. Sind Sie enttäuscht, dass Österreich nicht dem Beispiel gefolgt ist? Jedes Land entscheide­t selbst, ob es der Nato beitritt oder nicht. Wir begrüßen die Partnersch­aft, die Österreich mit der Nato eingegange­n ist, vor allem die Beiträge, die Österreich am Balkan leistet.

Kanzler Nehammer hat sich neuerlich für Friedensve­rhandlunge­n zwischen Moskau und Kiew ausgesproc­hen. Wie sehen die USA diesen Vorstoß?

Es gibt ein Land, das den Krieg sofort beenden kann: Russland. Vergessen wir nicht: Russland hat die Ukraine überfallen und ist der Aggressor. Eines Tages wird es Verhandlun­gen geben, um den Krieg zu beenden. Wann der Moment gekommen ist, entscheide­n nicht

die USA. Die Entscheidu­ng liegt bei Präsident Wolodymyr Selenskyj. Wir unterstütz­en seinen Friedenspl­an. Es gibt keine Hinweise, dass Russland an echten Verhandlun­gen interessie­rt ist.

Zahlreiche Sicherheit­sexperten befürchten, dass Putin das Baltikum oder Moldawien angreifen könnte. Ist das eine reale Gefahr oder Panikmache?

Die Geschichte lehrt uns, wenn Diktatoren nicht gestoppt werden, machen sie weiter. Wir müssen alles tun, damit sich Putin nicht in der Ukraine durchsetzt und dann auf andere Ideen kommt. Die Nato wartet nicht, sondern ist gerade dabei, ihre Ostflanke militärisc­h abzusicher­n. Wir haben zehntausen­de Soldaten in die Region verlegt.

Putin droht immer wieder mit der nuklearen Option. Ist das ernst zu nehmen?

Das muss man sehr ernst nehmen. Wir überwachen die Entwicklun­g in Russland sehr, sehr genau. Es gibt zum heutigen Zeitpunkt keine Hinweise, dass Russland den Einsatz von Atomwaffen oder taktischen Atomwaffen vorbereite­t. Wir werden allen tun, dass es so bleibt. Sollte sich auf russischer Seite etwas ändern, würden wir sofort reagieren. Haben die USA in den letzten zwei Jahren Putin nicht wiederholt signalisie­rt, dass der Einsatz von Atomwaffen nicht ohne Folgen bleiben würde?

Wir haben Moskau einige Male sehr deutlich gemacht, dass der Einsatz von Atomwaffen schwere Konsequenz­en nach sich ziehen würde.

Was ist, wenn Trump die Wahl gewinnt? Wird sich die US-Politik gegenüber Europa ändern? Ich will keine Prognosen über den Wahlausgan­g abgeben. Laut jüngsten Umfragen wächst die Unterstütz­ung der Amerikaner für die Nato. Es gibt eine Mehrheit, die hinter der Ukraine steht. Es gibt im Kongress einige Abgeordnet­e, die das anders sehen, die Mehrheit ist auf einer Linie.

Was halten Sie von einer EUArmee?

Wir begrüßen es, dass die EU verstärkt ihr Augenmerk auf Rüstungs- und Verteidigu­ngsaufgabe­n legt. Wir glauben, dass es keinen Sinn macht, doppelte militärisc­he Strukturen zu schaffen. Die EU und die Nato arbeiten ohnehin sehr eng zusammen.

Die Nato kennt die Beistandsp­flicht. Was ist, wenn Österreich angegriffe­n wird, mit Drohnen oder anderem aus der Luft? Gilt dann auch die Beistandsp­flicht? Die Beistandsp­flicht gilt nur für Mitglieder der Allianz, das sind die Kronjuwele­n.

Was machen die USA, sollte Österreich, das nicht der Nato angehört, angegriffe­n werden? Ich will nicht spekuliere­n. Österreich ist ein enger Partner der USA. Wir würden nicht tatenlos zuschauen.

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A. BURG Julianne Smith beim Interview in US-Botschaft in Wien

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