„Wir sind nicht ideologisch“
Er drückt ServusTV seit einem Jahr den Stempel auf: Servus-Programmdirektor Goetz Hoefer über Geschäfte, Zukunft und das Wertebild des Senders.
Sie sind seit Anfang 2023 Programmdirektor bei ServusTV, wo aktuell massiv auf fiktionale Eigenformate gesetzt wird. Ist das schon Ihre Handschrift?
GOETZ HOEFER: Ich bin unternehmerisch geprägt und war immer zukunftsorientiert. Weswegen ich auch gesagt habe: ServusTV Österreich, das möchte ich machen, da hier im Gegensatz zu vielen anderen Sendern in Europa visionär agiert wird. Suchen Sie einmal fiktionales Eigenprogramm bei deutschen Privatsendern, das gibt es ja kaum noch. Das ist aber nicht allein meine Handschrift, denn schon vorher hatte man bei ServusTV auf fiktionale Eigenproduktionen gesetzt.
Aber die aktuelle Dimension der Investitionen ist schon beachtlich.
Das ist sie. Geändert hat sich vielleicht, dass wir Marktgegebenheiten noch genauer prüfen und unsere Programmstrategie für alle Kanäle weiterentwickelt haben. Nehmen wir horizontal erzählte Serien wie „Das Netz“: Da können wir mit linearem Fernsehen gegenüber einem Streamer nicht wirklich konkurrieren. Deshalb setzen wir vermehrt auf 90-Minüter.
Auch 90-Minüter kosten viel Geld. Zahlt fiktionales Eigenprogramm eher auf die Quote oder eher das Profil ein?
Beides natürlich, sie zahlt auf unsere Positionierung ein und hilft uns in der Differenzierung gegenüber anderen Playern und internationalen Streamingangeboten. Und die „Altaussee-Krimis“funktionieren auch noch in der dritten oder vierten Wiederholung hervorragend und sind auch für ServusTV On ein wichtiges Asset. Ich bin überzeugt, dass man als Vollprogrammsender seinem Publikum ein breites Angebot an Qualitätsinhalten bieten muss. Was passiert, wenn man das nicht tut, sehen wir anhand der Entwicklung in Deutschland. Dort haben die Privatsender der ersten Generation wie beispielsweise Sat.1 teilweise weniger Marktanteil als wir hier in Österreich.
Wie sieht der Wachstumspfad von ServusTV aus?
Momentan sehr gut, wir wachsen sowohl linear als nonlinear. Wir hatten mit einem Marktanteil von vier Prozent in der Basis den besten Februar seit Sendestart und sehen kein Ende des Trends. Bei ServusTV On konnten wir im Februar unsere Zuwächse sogar verdoppeln.
Hat ServusTV ausreichend Zeit für den Transformationsprozess vom linearen zum nonlinearen Geschäftsmodell?
Ja. Und wir setzen alles daran, unsere Ziele zu erreichen und Transformationsprozesse zu beschleunigen. Allein werden wir das aber nicht schaffen, da ist vielmehr der ganze österreichische Medienstandort gefragt.
Sie haben heuer unter anderem mit der Fußball-Europameisterschaft die Chance, den Marktanteilen von ORF 1 sehr nahezukommen. Ist das ein Ziel?
An guten Tagen sind wir jetzt schon nahe dran. Aber wir möchten uns nicht mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vergleichen. Der hat ein wesentlich höheres Budget, und in Anbetracht dieses Ungleichgewichts machen wir bei ServusTV schon einen hervorragenden Job.
ORF 1 zu überflügeln wäre trotzdem ein Meilenstein?
2024 wird natürlich ein gutes Jahr, wir rechnen schon mit dem Rekordjahr für ServusTV.
Gibt es eine Konsolidierungsperspektive, einen Zeitpunkt, wann sich der Sender selbst erhalten können muss?
Das ist wie beim Fußball: Geld allein schießt keine Tore. Es ist nicht nur allein die Höhe des Budgets, die den Erfolg von ServusTV ausmacht.
Ein Datum für schwarze Zahlen gibt es also nicht?
Nein. Aber natürlich haben wir einen klaren Plan und wissen, wo wir hin wollen.
ServusTV hat ein relativ klares ideologisches Profil …
So kann man das nicht sagen. Unser Motto lautet viel mehr Erkenntnisgewinn durch Meinungsvielfalt statt Ideologie.
Und dennoch gibt es diese Selbstauffassung, ein Gegenmedium zu dem zu sein, was auf ServusTV gerne als „Mainstreammedien“verunglimpft wird. Die bewusst coronaskeptische Berichterstattung diente ServusTV als Katalysator, ebenso das Satireformat „Der Wegscheider“. Sehen Sie da Änderungsbedarf? Überhaupt nicht, das sage ich auch jedem, der hier arbeiten mag. Wir sind nicht ideologisch oder parteilich und wahren die Äquidistanz. Weshalb wir wahrscheinlich als einziger Sender auch keine Parteienwerbung annehmen. Diese Maßnahme steht für eine klare Trennung von Redaktion und Verkauf, die wir für die journalistische Neutralität für notwendig halten. In unserer Berichterstattung setzen wir auf Meinungsvielfalt mit einer journalistischen, kritischen Grundhaltung.
Der mit Machtmissbrauchsvorwürfen belastete Regisseur Julian Pölsler wird weiter für ServusTV drehen. Warum eigentlich? Nicht nur ich, sondern auch unser gesamtes Unternehmen arbeitet selbstverständlich diskriminierungsfrei. Ich bin zwar jetzt nicht so alt wie Julian, aber immerhin seit 1996 in der Branche und ich glaube, ich habe in meinem Job noch nie geschrien. Aber zu behaupten, dass alle Filmsets schreifrei seien, das wäre gelogen.
Es ging ja hier nicht bloß um eine ruppige Art.
Wir wollen eine in jeder Hinsicht diskriminierungsfreie Zusammenarbeit und eine positive, angstfreie Atmosphäre am Set. Natürlich haben wir uns die Doku angeschaut und ich sage ganz ehrlich, ganz fehlerfrei oder vollständig in der Darstellung ist sie nicht. Was unser Haus betrifft: Wir reden mit allen Beteiligten und es gibt für uns keinen Grund, dass wir die Zusammenarbeit auf Zuruf beenden oder nicht fortsetzen sollten.
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