Bogner-Strauß: „Im ersten Moment ist es ein Schock“
Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) landete im Vorjahr wieder im Nationalrat. Die Ex-Landesrätin über Emotionen, Ärztemangel, Morddrohungen und ob sie mit der Politik abschließt.
Lange nicht gesehen, Frau Abgeordnete. Bereuen Sie den Gang in die Politik? Nein, ich bin unglaublich gerne in der Politik. Richtig, als Professorin an der TU Graz hatte ich einen mehr wertgeschätzten Job. Aber ich will die Zustände nicht beklagen, sondern verändern, auch gegen Widerstände. Das automatische Pensionssplitting möchte ich von der Bundesregierung noch umgesetzt sehen. Das wäre so wichtig gegen die Altersarmut.
Sie sind seit Herbst wieder im Parlament, was vermissen Sie am Landhaus am meisten?
Mein Team, wir sind fast vier Jahre durch dick und dünn gegangen, haben in der Pandemie zeitweise Tag und Nacht gearbeitet. Da wächst man zusammen. Der Abschied war schwierig, ich bin mit den meisten aber noch im Kontakt.
Am 5. 10. trat Landesrat Hans Seitinger zurück, am 11. stellte die ÖVP den Nachfolger vor, auch Ihren. Was verbinden Sie damit?
In erster Linie sehr viel Emotion. Natürlich ist es im ersten Moment ein Schock. Auch für das Team, das in der Pandemie alles gegeben hat. Aber so etwas eröffnet auch neue Wege und neue Chancen. Ich bin froh, dass alle gut angekommen sind.
Keinerlei Enttäuschung oder Ärger darüber, den Posten räumen zu müssen?
Nein, Politik ist ein Kommen und Gehen. Ich habe das 2019 (Stichwort Ibiza-Affäre und Neuwahlen; Anm.) erlebt. Und man muss auch das Positive sehen, es war irgendwie befreiend. Ich war die letzten Jahre häufig nicht bei Familientreffen oder bei Freundinnen. Ich hatte zu wenig Zeit für die Kinder. Andererseits bin ich schon auch stolz gewesen: auf das Kages-Gehaltspaket, die Bewegungsrevolution, mehr Ausbildungsplätze, das Pflege- und Betreuungsgesetz wurde vorbereitet …
War mit Werner Amons Bestellung zum Bildungs-Landesrat im Jahr 2022 nicht greifbar, dass später noch ein Regierungsumbau ansteht?
Nein, ich war sehr dankbar, dass er die Bildung, die Elementarpädagogik übernimmt. Mit Pflege, Gesundheit, Frauen, Jugend, Familien war das einfach sehr viel – in und nach der Pandemie. Außerdem konnte ich ja vieles auf den Weg bringen, Amon hat es vollendet und ergänzt. Die Sozialstaffel
für Kinderkrippen wäre eher gegangen, aber es fehlte die Zustimmung des Koalitionspartners.
Woher kamen die meisten Querschüsse? Aus der Burg, Kages, MedUni, der SPÖ oder womöglich der eigenen Partei?
Ich hebe sicher keine Institution oder Person hervor. Fest steht: Im Spitalsbereich stemmte sich die Opposition, die Neos vielleicht ausgenommen, vehement gegen Veränderung. Man hat auf das Gesundheitssystem geschimpft, doch im nächsten
Halbsatz gesagt, es soll sich strukturell nichts ändern. Aber man muss sich anpassen: Spitalsverbünde, Übergangspflege, Remobilisation … Österreichs Gesundheitssystem ist immer noch gut, vor allem kurativ (in der Heilung; Anm.). Präventiv sind wir schlecht.
Während den Spitälern die Ärzte ausgehen …
Die Forderung nach mehr Medizinstudienplätzen haben schon meine Vorgänger und per Beschluss alle Bundesländer gestellt. Aber es ist nichts passiert.
Stattdessen ein Ärztearbeitszeitgesetz mit Gold-Plating, mehr Teilzeitbeschäftigung ... Also die einzige Kritik, die ich mir an unseren Stipendien für 60 zusätzliche Medizinstudenten an der SFU (Privatuni in Wien, Anm.) gerne gefallen lasse, ist jene, dass sie zu spät gekommen sind.
Fiel Ihnen die Umstellung auf den Nationalrat schwer?
Ich bin herzlich aufgenommen worden, es ist ja kein neuer Boden für mich. Was sich verändert hat, ist der Ton, vor allem im Plenum. Man muss aufpassen, dass man sich davon nicht anstecken lässt. Viele haben sich dem Geschäft der Radikalisierung angeschlossen, aber betreiben gleichzeitig die Selbstdarstellung als Opfer – nicht nur in der Politik. Wenn ich an die Mails an mich denke, die Kommentare, die Unmengen an Drohungen, auch Morddrohungen …
Sie standen in den Coronajahren unter Polizeischutz? Zeitweise unter erhöhter Aufmerksamkeit der Polizei. Ich war in der Steiermark während der Pandemie ja das Gesicht zur Krise. Aber zurück: Wir müssen gerade in der Politik Vorbilder sein, toleranter, die Meinung anderer zulassen und gut zuhören.
Treten Sie wieder an?
Wenn ich die Chance bekomme, werde ich sicher nicht ablehnen. Ich will solide, breite, bürgerlichtolerante Politik machen.
Die Volkspartei wurde im bürgerlichen Salzburg gerade von der KPÖ abgehängt.
Nennen Sie mir bitte ein Land, wo der Kommunismus, wo diese Ideologie funktioniert hat? Oder schauen wir nach Graz: Wird seit dem Bürgermeisterwechsel weniger gebaut? Ist das Leben in der Stadt leistbarer geworden, steigt die Lebensqualität? Ich bemerke das nicht.
Was trauen Sie Ihrer Partei bei der Wahl im Land Steiermark bzw. im Bund zu?
Christopher Drexler ist ein Politprofi und wird Erster werden. Man muss einfach hinschauen, was alles geleistet wurde. Das gilt auch für den Bund: Abschaffung der kalten Progression, die Familienleistungen oder das Wohnbaupaket.
Ihre Partei schließt bisher eine Koalition mit einer FPÖ ohne Herbert Kickl nicht aus. Wie soll das denn möglich sein?
Warum soll das nicht gehen können?