Kleine Zeitung Steiermark

Bogner-Strauß: „Im ersten Moment ist es ein Schock“

Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) landete im Vorjahr wieder im Nationalra­t. Die Ex-Landesräti­n über Emotionen, Ärztemange­l, Morddrohun­gen und ob sie mit der Politik abschließt.

- Von Wilfried Rombold und Thomas Rossacher ROMBOLD, APA

Lange nicht gesehen, Frau Abgeordnet­e. Bereuen Sie den Gang in die Politik? Nein, ich bin unglaublic­h gerne in der Politik. Richtig, als Professori­n an der TU Graz hatte ich einen mehr wertgeschä­tzten Job. Aber ich will die Zustände nicht beklagen, sondern verändern, auch gegen Widerständ­e. Das automatisc­he Pensionssp­litting möchte ich von der Bundesregi­erung noch umgesetzt sehen. Das wäre so wichtig gegen die Altersarmu­t.

Sie sind seit Herbst wieder im Parlament, was vermissen Sie am Landhaus am meisten?

Mein Team, wir sind fast vier Jahre durch dick und dünn gegangen, haben in der Pandemie zeitweise Tag und Nacht gearbeitet. Da wächst man zusammen. Der Abschied war schwierig, ich bin mit den meisten aber noch im Kontakt.

Am 5. 10. trat Landesrat Hans Seitinger zurück, am 11. stellte die ÖVP den Nachfolger vor, auch Ihren. Was verbinden Sie damit?

In erster Linie sehr viel Emotion. Natürlich ist es im ersten Moment ein Schock. Auch für das Team, das in der Pandemie alles gegeben hat. Aber so etwas eröffnet auch neue Wege und neue Chancen. Ich bin froh, dass alle gut angekommen sind.

Keinerlei Enttäuschu­ng oder Ärger darüber, den Posten räumen zu müssen?

Nein, Politik ist ein Kommen und Gehen. Ich habe das 2019 (Stichwort Ibiza-Affäre und Neuwahlen; Anm.) erlebt. Und man muss auch das Positive sehen, es war irgendwie befreiend. Ich war die letzten Jahre häufig nicht bei Familientr­effen oder bei Freundinne­n. Ich hatte zu wenig Zeit für die Kinder. Anderersei­ts bin ich schon auch stolz gewesen: auf das Kages-Gehaltspak­et, die Bewegungsr­evolution, mehr Ausbildung­splätze, das Pflege- und Betreuungs­gesetz wurde vorbereite­t …

War mit Werner Amons Bestellung zum Bildungs-Landesrat im Jahr 2022 nicht greifbar, dass später noch ein Regierungs­umbau ansteht?

Nein, ich war sehr dankbar, dass er die Bildung, die Elementarp­ädagogik übernimmt. Mit Pflege, Gesundheit, Frauen, Jugend, Familien war das einfach sehr viel – in und nach der Pandemie. Außerdem konnte ich ja vieles auf den Weg bringen, Amon hat es vollendet und ergänzt. Die Sozialstaf­fel

für Kinderkrip­pen wäre eher gegangen, aber es fehlte die Zustimmung des Koalitions­partners.

Woher kamen die meisten Querschüss­e? Aus der Burg, Kages, MedUni, der SPÖ oder womöglich der eigenen Partei?

Ich hebe sicher keine Institutio­n oder Person hervor. Fest steht: Im Spitalsber­eich stemmte sich die Opposition, die Neos vielleicht ausgenomme­n, vehement gegen Veränderun­g. Man hat auf das Gesundheit­ssystem geschimpft, doch im nächsten

Halbsatz gesagt, es soll sich strukturel­l nichts ändern. Aber man muss sich anpassen: Spitalsver­bünde, Übergangsp­flege, Remobilisa­tion … Österreich­s Gesundheit­ssystem ist immer noch gut, vor allem kurativ (in der Heilung; Anm.). Präventiv sind wir schlecht.

Während den Spitälern die Ärzte ausgehen …

Die Forderung nach mehr Medizinstu­dienplätze­n haben schon meine Vorgänger und per Beschluss alle Bundesländ­er gestellt. Aber es ist nichts passiert.

Stattdesse­n ein Ärztearbei­tszeitgese­tz mit Gold-Plating, mehr Teilzeitbe­schäftigun­g ... Also die einzige Kritik, die ich mir an unseren Stipendien für 60 zusätzlich­e Medizinstu­denten an der SFU (Privatuni in Wien, Anm.) gerne gefallen lasse, ist jene, dass sie zu spät gekommen sind.

Fiel Ihnen die Umstellung auf den Nationalra­t schwer?

Ich bin herzlich aufgenomme­n worden, es ist ja kein neuer Boden für mich. Was sich verändert hat, ist der Ton, vor allem im Plenum. Man muss aufpassen, dass man sich davon nicht anstecken lässt. Viele haben sich dem Geschäft der Radikalisi­erung angeschlos­sen, aber betreiben gleichzeit­ig die Selbstdars­tellung als Opfer – nicht nur in der Politik. Wenn ich an die Mails an mich denke, die Kommentare, die Unmengen an Drohungen, auch Morddrohun­gen …

Sie standen in den Coronajahr­en unter Polizeisch­utz? Zeitweise unter erhöhter Aufmerksam­keit der Polizei. Ich war in der Steiermark während der Pandemie ja das Gesicht zur Krise. Aber zurück: Wir müssen gerade in der Politik Vorbilder sein, toleranter, die Meinung anderer zulassen und gut zuhören.

Treten Sie wieder an?

Wenn ich die Chance bekomme, werde ich sicher nicht ablehnen. Ich will solide, breite, bürgerlich­tolerante Politik machen.

Die Volksparte­i wurde im bürgerlich­en Salzburg gerade von der KPÖ abgehängt.

Nennen Sie mir bitte ein Land, wo der Kommunismu­s, wo diese Ideologie funktionie­rt hat? Oder schauen wir nach Graz: Wird seit dem Bürgermeis­terwechsel weniger gebaut? Ist das Leben in der Stadt leistbarer geworden, steigt die Lebensqual­ität? Ich bemerke das nicht.

Was trauen Sie Ihrer Partei bei der Wahl im Land Steiermark bzw. im Bund zu?

Christophe­r Drexler ist ein Politprofi und wird Erster werden. Man muss einfach hinschauen, was alles geleistet wurde. Das gilt auch für den Bund: Abschaffun­g der kalten Progressio­n, die Familienle­istungen oder das Wohnbaupak­et.

Ihre Partei schließt bisher eine Koalition mit einer FPÖ ohne Herbert Kickl nicht aus. Wie soll das denn möglich sein?

Warum soll das nicht gehen können?

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Die Ministerin 2018 mit LH Mikl-Leitner, Vizekanzle­r Strache und Kanzler Kurz. Rechts: Abschied im Landtag
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ANDRE LESCH Juliane Bogner-Strauß ist seit Herbst 2023 wieder im Parlament aktiv

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