„Schade, wenn man Musik den Saft abdreht“
Grazer Straßenmusiker werben mit Petition um Anerkennung. Wie man Konflikte mit Anrainern und Geschäftsleuten lösen will.
Am Eisernen Tor heizt ein Trio den Passanten mit funkigen Rhythmen ein. Am Hauptplatz entschleunigt ein Akkordeonist den Einkaufssamstag mit seinen Melodien. Sie sind auch im Winter nie ganz weg, jetzt mit dem Frühlingsstart aber wieder zahlreicher in der Grazer Innenstadt anzutreffen: die Musiker, die auf Straßen und Plätzen aufspielen.
Nicht alle haben allerdings Freude damit, wenn in der Innenstadt Musik in der Luft liegt. Die Nöte von Geschäftsleuten und Anrainern thematisierte Sissi Potzinger (ÖVP) kürzlich wieder im Gemeinderat. Die altbekannten Vorwürfe: Ruhezeiten, die nicht eingehalten werden, die Lautstärke, teils auch mangelnde Qualität und fehlende Abwechslung beim Repertoire. Ihr Antrag, eine Jury solle künftig darüber entscheiden, ob jemand die Straßen als Freiluftbühne nutzen darf, wurde von der Koalition mit dem Hinweis abgewiesen, dass man ohnehin an einer Novelle der Straßenmusikverordnung arbeite.
Thema vom Tisch? Nicht für die Musiker, wie „Streetman“Christoph Kotter unterstreicht. Seit 2016 spielt der Gitarrist nebenberuflich in der Stadt auf. Darüber
hinaus moderiert er die große WhatsApp-Gruppe, in der sich Straßenmusiker vernetzen. Gibt es Gespräche mit der Stadt, ist es oft er, der als Vertreter der Musiker daran teilnimmt. Diese Woche hat Kotter eine OnlinePetition „für den Erhalt und die Anerkennung von Straßenmusik als Kulturgut der Stadt Graz“gestartet. Was man im Gespräch mit ihm und seinen Kollegen orten kann: Beunruhigung, wenn es um neue Regeln für ihre Auftritte geht. Dazu mischt sich Ärger über die Geringschätzung mancher Kritiker. „Straßenmusik belebt doch die Stadt, sie sorgt für Freude“, unterstreicht etwa Julia Hiebler, die regelmäßig mit ihrem Saxophon in der Innenstadt zu hören ist.
Diese Woche konnten die Musiker ihre Sicht bei Gesprächen mit Alfred Strutzenberger einbringen. Der Büroleiter von Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) kennt als Bezirksvorsteher die Probleme der Innenstadt aus erster Hand. „Straßenmusik ist ein wesentlicher Teil von Graz“, stellt er klar, auch wenn er gleichzeitig Beschwerden nicht vom Tisch wischt. Die wichtigsten Fragen, die seiner Meinung nach zu klären sind: Wie lange darf gespielt werden, wie lange soll die darauffolgende Pause sein und wie kann gewährleistet werden, dass das eingehal
ten wird. Warum darüber nicht erst seit dem jüngsten Vorstoß, sondern seit Jahren ergebnislos diskutiert wird? „Es ist nicht leicht, für so etwas Lebendiges wie Straßenmusik einen rechtlichen Mantel zu finden“, erklärt Strutzenberger.
Dass sich etwas ändern muss, finden auch die Musiker, die in Einzelfällen sogar schon mit Wasserbomben oder Laserpointern von Standplätzen vertrieben wurden. „Wir möchten mit Anrainern und Geschäftsleuten gut auskommen“, unterstreicht Kotter. Percussionist Konrad Prettner war diesmal bei den Gesprächen mit der Stadt dabei. Wie Kotter spricht er von einzelnen, namentlich bekannten „schwarzen Schafen“, die sich nicht an die schon bestehenden Regeln halten würden. „Man sollte gezielt gegen sie vorgehen und nicht alle bestrafen“, unterstreicht Prettner.
Noch liegen die neuen Regeln nicht am Tisch. Im Lauf des Jahres will man allerdings endlich auf einen grünen Zweig kommen. Dass es am Ende eine Jury geben wird, ist unwahrscheinlich. „Die Qualität passt in den allermeisten Fällen“, betont Kotter. Während man sich jetzt für einen bestimmten Tag anmeldet, sind nun fixe „Timeslots“für Auftritte und Pausen im Gespräch. „Ein Online-Reservierungssystem wie in Triest würde ich dabei gut finden“, so Kotter. Wie man es nicht anpacken sollte, habe Linz vorgemacht. Straßenmusik sei dort in der Praxis „quasi verboten“. Es wäre schade, „wenn man der Straßenmusik in Graz den Saft abdreht“, hofft er auf eine Lösung, mit der in Zukunft alle leben können.