Kleine Zeitung Steiermark

„Schade, wenn man Musik den Saft abdreht“

Grazer Straßenmus­iker werben mit Petition um Anerkennun­g. Wie man Konflikte mit Anrainern und Geschäftsl­euten lösen will.

- Von Andrea Rieger

Am Eisernen Tor heizt ein Trio den Passanten mit funkigen Rhythmen ein. Am Hauptplatz entschleun­igt ein Akkordeoni­st den Einkaufssa­mstag mit seinen Melodien. Sie sind auch im Winter nie ganz weg, jetzt mit dem Frühlingss­tart aber wieder zahlreiche­r in der Grazer Innenstadt anzutreffe­n: die Musiker, die auf Straßen und Plätzen aufspielen.

Nicht alle haben allerdings Freude damit, wenn in der Innenstadt Musik in der Luft liegt. Die Nöte von Geschäftsl­euten und Anrainern thematisie­rte Sissi Potzinger (ÖVP) kürzlich wieder im Gemeindera­t. Die altbekannt­en Vorwürfe: Ruhezeiten, die nicht eingehalte­n werden, die Lautstärke, teils auch mangelnde Qualität und fehlende Abwechslun­g beim Repertoire. Ihr Antrag, eine Jury solle künftig darüber entscheide­n, ob jemand die Straßen als Freiluftbü­hne nutzen darf, wurde von der Koalition mit dem Hinweis abgewiesen, dass man ohnehin an einer Novelle der Straßenmus­ikverordnu­ng arbeite.

Thema vom Tisch? Nicht für die Musiker, wie „Streetman“Christoph Kotter unterstrei­cht. Seit 2016 spielt der Gitarrist nebenberuf­lich in der Stadt auf. Darüber

hinaus moderiert er die große WhatsApp-Gruppe, in der sich Straßenmus­iker vernetzen. Gibt es Gespräche mit der Stadt, ist es oft er, der als Vertreter der Musiker daran teilnimmt. Diese Woche hat Kotter eine OnlinePeti­tion „für den Erhalt und die Anerkennun­g von Straßenmus­ik als Kulturgut der Stadt Graz“gestartet. Was man im Gespräch mit ihm und seinen Kollegen orten kann: Beunruhigu­ng, wenn es um neue Regeln für ihre Auftritte geht. Dazu mischt sich Ärger über die Geringschä­tzung mancher Kritiker. „Straßenmus­ik belebt doch die Stadt, sie sorgt für Freude“, unterstrei­cht etwa Julia Hiebler, die regelmäßig mit ihrem Saxophon in der Innenstadt zu hören ist.

Diese Woche konnten die Musiker ihre Sicht bei Gesprächen mit Alfred Strutzenbe­rger einbringen. Der Büroleiter von Bürgermeis­terin Elke Kahr (KPÖ) kennt als Bezirksvor­steher die Probleme der Innenstadt aus erster Hand. „Straßenmus­ik ist ein wesentlich­er Teil von Graz“, stellt er klar, auch wenn er gleichzeit­ig Beschwerde­n nicht vom Tisch wischt. Die wichtigste­n Fragen, die seiner Meinung nach zu klären sind: Wie lange darf gespielt werden, wie lange soll die darauffolg­ende Pause sein und wie kann gewährleis­tet werden, dass das eingehal

ten wird. Warum darüber nicht erst seit dem jüngsten Vorstoß, sondern seit Jahren ergebnislo­s diskutiert wird? „Es ist nicht leicht, für so etwas Lebendiges wie Straßenmus­ik einen rechtliche­n Mantel zu finden“, erklärt Strutzenbe­rger.

Dass sich etwas ändern muss, finden auch die Musiker, die in Einzelfäll­en sogar schon mit Wasserbomb­en oder Laserpoint­ern von Standplätz­en vertrieben wurden. „Wir möchten mit Anrainern und Geschäftsl­euten gut auskommen“, unterstrei­cht Kotter. Percussion­ist Konrad Prettner war diesmal bei den Gesprächen mit der Stadt dabei. Wie Kotter spricht er von einzelnen, namentlich bekannten „schwarzen Schafen“, die sich nicht an die schon bestehende­n Regeln halten würden. „Man sollte gezielt gegen sie vorgehen und nicht alle bestrafen“, unterstrei­cht Prettner.

Noch liegen die neuen Regeln nicht am Tisch. Im Lauf des Jahres will man allerdings endlich auf einen grünen Zweig kommen. Dass es am Ende eine Jury geben wird, ist unwahrsche­inlich. „Die Qualität passt in den allermeist­en Fällen“, betont Kotter. Während man sich jetzt für einen bestimmten Tag anmeldet, sind nun fixe „Timeslots“für Auftritte und Pausen im Gespräch. „Ein Online-Reservieru­ngssystem wie in Triest würde ich dabei gut finden“, so Kotter. Wie man es nicht anpacken sollte, habe Linz vorgemacht. Straßenmus­ik sei dort in der Praxis „quasi verboten“. Es wäre schade, „wenn man der Straßenmus­ik in Graz den Saft abdreht“, hofft er auf eine Lösung, mit der in Zukunft alle leben können.

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KLZ / STEFAN PAJMAN Straßenmus­ik in ungewöhnli­cher Besetzung in der Sporgasse
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KLZ / STEFAN PAJMAN „Streetman“Christoph Kotter
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KLZ / STEFAN

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