Verzweiflung im Land der Finsternis
Mateja Koležnik inszeniert Martin McDonaghs Albtraum „Der einsame Westen“.
Der Vorhang steht offen, bevor die Höllenfahrt beginnt. Viel Ausstattung braucht die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik nicht für das diabolische Kammerspiel, das Martin McDonagh in knapp zwei Stunden entfaltet. Raimund Orfeo Voigt hat für sie vier um die Mitte drehbare Wände auf die Bühne gestellt, die sich leicht zu trist möblierten Räumen aus größeren und kleineren Kreissegmenten kombinieren lassen. Meistens sieht man Valene und Coleman beim Streit in der Wohnküche ihres Bauernhauses im irischen Leenane. Je läppischer der Grund, desto heftiger die Emotion, mit der Michael Maertens und Roland Koch aufeinanderprallen. Aus dem Missverhältnis zwischen Anlass und Wirkung entsteht grotesker Witz, den die beiden virtuos und wohldosiert einsetzen.
Der Tod Nahestehender erregt die in innigem Hass verbundenen Brüder weit weniger als der Entzug von Kartoffelchips, Schnaps oder Plastikheiligenfiguren. Bald zeigt sich, Valene hat sich das Elternhaus unter den Nagel gerissen, nachdem Coleman den Vater im Affekt erschossen hat. Das Haus war der Preis für die unterlassene Anzeige.
Pater Welsh, der an Kirche und Dorfbewohnern verzweifelte Pfarrer, ist der Dritte im Bunde. Von Itay Tiran berührend verloren gezeichnet, scheitert er an der Zähmung der asozialen Brüder und geht ins Wasser. Nicht einmal die Zuneigung der 17-jährigen Girleen (Lili Winderlich) kann ihn abhalten. Der groteske Selbstbezichtigungswettbewerb, den Valene und Coleman zu seinen Ehren nun beginnen, spült den Rest der familiären Hassgeschichte an die Oberfläche.
Zwei Stunden lang tragen Michael Maertens, Roland Koch und Itay Tiran ihre Verzweiflung zur Schau, ohne je in platte Klischees zu verfallen. Eine schauspielerische Glanzleistung, die ohne die stilsichere Anleitung von Mateja Koležnik kaum möglich gewesen wäre. Verdienter Jubel für alle. ●●●●❍ Thomas Götz Weitere Infos und Termine: www.burgtheater.at