Weil Demokratie kein Selbstläufer ist
Zwei Zeitgeschichte-Experten gingen auf Schultournee durch die Steiermark und ziehen ein positives Resümee.
Wir (Christian Weniger als Journalist und Helmut Konrad als Zeithistoriker) machten die Probe aufs Exempel. Als Teil der überparteilichen Plattform, die sich zum Gedenken an das Jahr 1934 zusammengefunden hatte, und in Zusammenarbeit mit der Bildungsdirektion forderten wir steirische Schulen auf, uns zu Gastvorträgen einzuladen. Die Schulen erhielten im Vorfeld Fragen zu Geschichte und Politik übermittelt, die sie bearbeiten sollten.
Die Reaktionen waren überwältigend. Wir konnten nicht allen Wünschen nachkommen, aber in elf Veranstaltungen quer durch das Land kamen wir mit etwa 700 Jugendlichen ins Gespräch. Wir stießen auf großes Interesse, auf intensive Teilnahme und auf engagierte Lehrerinnen und Lehrer. In den Veranstaltungen boten wir einen historischen Überblick über die österreichische Geschichte von 1918 bis 1938 und zudem einen Vergleich der Situationen damals und heute, mit dem Gefährdungspotential des Wegkippens von Demokratie und Menschenrechten.
Am spannendsten waren die Beiträge der jungen Leute selbst. So hörten sie bewegende Erzählungen von Mitschülerinnen mit eigenen Diktaturerfahrungen von Russland über den Iran bis Mexiko. Und es zeigte sich, dass wohl das Lesen von Printmedien nicht mehr zum selbstverständlichen Alltag gehört, dass aber manche dieser Medien online konsumiert werden und auch seriöse Fernsehnachrichten noch großen Stellenwert besitzen. Die Generation lernt, andere Informationen aus unseriösen Quellen kritisch zu hinterfragen.
Auf unsere Fragen, wofür sie sich engagieren und die Stimme erheben, waren es vor allem die jungen Frauen, die emotional für Menschenrechte, Frauenrechte und Demokratie und gegen Fremdenfeindlichkeit eintraten. Erstaunlicherweise waren Umweltfragen nachgereiht. Ganz wenige Gegenpositionen kamen von männlicher Seite („Politik interessiert mich nicht, weil ich sie nicht beeinflussen kann“, oder „Alle Politiker sind korrupt“), was die Möglichkeit bot, in zielführende Diskussionen einzusteigen.
Für die jungen Leute war vor allem spannend, dass zwei ältere Herren mit unterschiedlichen Lebensgeschichten und sehr unterschiedlichen politischen Grundpositionen nicht versuchten, ihre Gegensätze zu verschleiern, aber doch kenntlich machten, dass es ein starkes gemeinsames Fundament gibt, auf dem Differenzen diskutiert werden können. So blieben alle mit Interesse dabei und artikulierten auch mutig eigene Positionen.
Von Hartberg über Graz nach Bad Radkersburg, Kapfenberg, Mureck, Judenburg, Liezen und Leoben hat uns unsere kleine Tournee geführt. Das Experiment ist aufgegangen: Bei dieser Jugend liegt die Zukunft in guten Händen. Diese Menschen wissen, dass Demokratie kein Selbstläufer ist. Und auch wir haben viel gelernt.