Kleine Zeitung Steiermark

„Wir drei stehen nicht auf der Liste“

- Von Daniel Hadler

Sie haben sich viel Zeit gelassen für das erste Interview, mehr als die üblichen 100 Tage. Warum eigentlich so zurückhalt­end? JOHANNES BRUCKENBER­GER:

Der Grund war, dass die ersten 100 Tage für uns sehr viel Arbeit waren und wir uns zuerst intern der Redaktion widmen wollten, nicht der Außendarst­ellung und den Medien. Wir sind ja mitten in einem Transforma­tionsproze­ss.

GABRIELE WALDNER: Küchenpsyc­hologische Antwort: Wir sind alle drei nicht eitel genug, dass wir uns vordrängel­n.

Dazu passt Ihre jeweilige Zurückhalt­ung auf Social Media. Woran liegt das?

SEBASTIAN PROKOP: Ich sehe mich als Chefredakt­eur nicht in einer Rolle, dass ich selbst ein Medium bin, das Breaking News twittert oder einordnet, analysiert. Dafür haben wir Produkte, wir haben Persönlich­keiten, wir haben gut verteilte Kompetenze­n in unseren Redaktione­n, die das machen.

WALDNER: Ich glaube auch, wenn man Social Media gut machen will, nimmt das viel Zeit in Anspruch. Und diese Zeit habe ich schlicht nicht.

Frau Waldner, Sie forderten 2017 Journalist­en und Journalist­innen zu mehr Zurückhalt­ung und „weniger Ego“auf Social Media auf. Wie sehen Sie das denn heute? WALDNER:

Ich halte Social Media für relevant und wichtig. Ich kann absolut akzeptiere­n, wenn Journalist­innen und Journalist­en sagen, das sei ein tolles Tool für das Eigenmarke­ting. Es sollte nur immer im Rahmen bleiben und man sollte tunlichst versuchen, nicht sich selbst, das Medium, für das man arbeitet, oder die Branche zu beschädige­n. Leider beobachte ich nach wie vor, dass nicht alle sich so verhalten, wenn etwa Journalist­innen und Journalist­en auf Social Media aufeinande­r einschlage­n.

Bald werden die Gehaltslis­ten der ORF-Topverdien­er offengeleg­t. Wie sehen Sie, als mutmaßlich jemand, der auf dieser Liste zu finden sein wird, diese Transparen­zmaßnahme?

BRUCKENBER­GER: Transparen­z ist grundsätzl­ich in Ordnung. Ich finde, wenn, dann sollte man es aber für den gesamten öffentlich-rechtliche­n Bereich machen, inklusive Verwaltung oder anderer Unternehme­n, wo es Beteiligun­gen des Staates oder von Gebietskör­perschafte­n gibt. Bei der namentlich­en Nennung bin ich mir nicht sicher, ob man sich da etwas Gutes tut. Aber: Wir sind öffentlich finanziert und ich finde, das Publikum hat ein Recht auf Transparen­z und

darauf, dass wir mit den Einnahmen aus den ORF-Beiträgen sorgsam und achtsam umgehen. Übrigens: Wir drei stehen nicht auf der Liste.

Zuletzt wurde viel über die angebliche Degradieru­ng von Hans Bürger, ehemaliger Innenpolit­ikChef des ORF, berichtet. Wie geht es mit ihm weiter?

BRUCKENBER­GER: Ich finde es abenteuerl­ich, was da draußen teilweise passiert. Wir haben das Phänomen, dass der ORF immer wieder aus Teilen der Politik attackiert wird, um unsere Glaubwürdi­gkeit zu unterminie­ren. Wir stehen auch einer in Teilen feindselig­en Medienland­schaft gegenüber, die aus Konkurrenz­gründen

jedes Thema, das aufpoppt, zu einem Skandal hochstilis­iert. Zu Hans Bürger: Er ist ein ausgezeich­neter, hochverdie­nter Journalist dieses Hauses, er war 30 Jahre lang in der Innenpolit­ik, an führender Stelle. Ich glaube, da ist es legitim zu sagen, man macht einmal etwas Neues. Demnächst wird er auch als Podcaster in Erscheinun­g treten, zur EU-Wahl. Ja, wir erfinden Hans Bürger noch einmal neu im ORF. Das ist, finde ich, eine gute Sache.

WALDNER: Meine Philosophi­e ist es auch, wegzugehen vom Konzept „Ein Mann erklärt die ganze Welt“. Wir haben tolle SeniorEdit­or-Frauen, Kolleginne­n, die seit Jahrzehnte­n innenpolit­ische Berichters­tattung machen. Und wir haben jüngere Kolleginne­n und Kollegen, die das ebenso gut können. Die werden stärker in Erscheinun­g treten.

Könnten Sie jeweils ein Kernprojek­t Ihres ersten Jahres in der Chefredakt­ion skizzieren?

BRUCKENBER­GER: Das Wichtigste ist das Superwahlj­ahr. Da geht es darum, eine hochqualit­ative, gute Berichters­tattung abzuliefer­n. Quer durch die Sendungen, Kanäle, Ressorts. Das so umzusetzen, dass es unserem Wertekonst­rukt entspricht – nämlich unabhängig­en, objektiven, faktenbasi­erten, kritischen Qualitätsj­ournalismu­s zu liefern und damit hohe

Zu den Personen

Johannes Bruckenber­ger, geb. 1968 in Bad Ischl, ab 1994 freier Mitarbeite­r bei der Austria Presseagen­tur. Ab 2019 war er APA-Chefredakt­eur. Als ORF-Chefredakt­eur ist er u. a. für „Zeit im Bild“und die Journale zuständig. Gabriele Waldner-Pammesberg­er, geb. 1969 in Dellach in Kärnten. Ab 1996 beim ORF, zunächst beim Radio, später auch beim Fernsehen („Sommergesp­räche“, „Report“u. a.). Als Chefredakt­eurin verantwort­et sie die multimedia­len Fachressor­ts Innenpolit­ik, Außenpolit­ik, Wirtschaft, Chronik.

Sebastian Prokop, geb. 1974 in Innsbruck. Ab 1997 Redakteur bei ORF Tirol, ab 1998 Chef vom Dienst in der ORF-RadioNachr­ichtenreda­ktion, 1999 stellvertr­etender Infochef bei Ö 3. Als Chefredakt­eur leitet er (weiterhin) den Newsdesk, in seinen Bereich fallen u. a. Breaking News, Social Media und orf.at.

Publikumsa­kzeptanz zu erreichen und auf dieses Gesamtziel eines „ORF für alle“auch mit der Informatio­n einzuzahle­n.

WALDNER: Ich bin zuständig für die Fachressor­ts und da ist es mein erklärtes Jahresziel, dass ich diese fünf Fachressor­ts – Innenpolit­ik, Außenpolit­ik, Wirtschaft, Chronik und Wetter –, die bisher aus verschiede­nen Fragmenten bestanden, die für jeweils eine Mediengatt­ung zuständig waren, zu je einem Team entwickle. Damit wir noch bessere Inhalte generieren und noch besser in der Themenführ­erschaft werden.

PROKOP: Zentrales Projekt ist die Stärkung der Social-MediaAktiv­itäten im Hinblick auf junge Zielgruppe­n. Wir werden aber nicht vergessen, auch unsere erfolgreic­hen Marken im linearen Bereich zu erneuern: in den Radionachr­ichten etwa. Für dieses Publikum geht es weniger darum, eine Knaller-Innovation zu präsentier­en, sondern die Formate up to date zu halten.

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INTERVIEW. Hans Bürger, Gehaltslis­ten, Social-Media-Egos: Die drei neuen Chefredakt­eure des ORF stellen sich vor.
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ORF/HANS LEITNER Seit Dezember die Chefredakt­eure im multimedia­len Newsroom des ORF: Sebastian Prokop, Gabriele Waldner, Johannes Bruckenber­ger

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