Der Druck auf Orbán wächst
Péter Magyar, Ex-Mann der Justizministerin, löst mit brisanter Tonaufnahme Proteste aus.
Ungarns Politiker der Stunde, Péter Magyar, ließ eine Bombe platzen, die nachhaltige Auswirkungen auf das politische Leben des Landes haben könnte. Magyar veröffentlichte einen knapp zweiminütigen Mitschnitt, den er im Jänner 2023 in einem privaten Gespräch mit seiner damaligen Ehefrau Judit Varga heimlich aufgenommen hatte, als diese noch Justizministerin (2019–2023) war.
Laut eigener Aussage sah er sich genötigt, die geheime Tonaufnahme zu machen, nachdem ihm Varga anvertraut hatte, dass es aus dieser „Mafiaregierung“kein Entrinnen für sie gäbe. Dienstagabend folgten Tausende Magyars Protestaufruf gegen Premier Viktor Orbán.
Aus dem Mund von Ex-Justizministerin Varga ist auf dem Mitschnitt unter anderem zu hören, dass der mächtige Propagandaund Geheimdienstminister Ungarns und engste Vertraute von Premier Orbán, Antal Rogán, Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft manipulieren ließ. In Zusammenhang mit einem Korruptionsskandal auf höchster politischer Ebene habe er der Staatsanwaltschaft aufgetragen, seinen eigenen Namen aus den Dokumenten verschwinden zu lassen. Dabei habe ihm Ungarns Generalstaatsanwalt Péter Polt assistiert.
Unmittelbar nachdem die Tonaufzeichnung publik geworden war, meldete sich auch Judit Varga zu Wort. Ihr FacebookEintrag beginnt so: „Schockierend. Péter Magyar hat es wirklich getan.“Varga setzt fort, dass Magyar sie seit Langem „erpresst“, um aus der Sache politisches Kapital zu schlagen. Außerdem erklärt die ehemalige Justizministerin, dass sie die Aussagen im „Zustand der Einschüchterung“gemacht habe. Aus Angst vor ihrem Ex-Ehemann habe sie ihm gesagt, „was er hören wollte“. Varga beschreibt ihren Ex-Mann als „böse“und „narzisstisch“. Das Bild von Magyar, der vor häuslicher Gewalt nicht zurückschreckt, wird auch von der Regierung und gleichgeschalteten Medien ausgeschlachtet.
Magyar, Ex-Leiter der staatlichen Behörde für die Vergabe von Studentenkrediten, trat im Februar als nahezu unbeschriebenes Blatt an die Öffentlichkeit, nachdem Staatspräsidentin Katalin Novák und seine ExFrau über eine Begnadigung in einem Pädophilieskandal gestolpert waren und zurücktreten mussten. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt legte Magyar als Insider prompt brisante Informationen über das „korrupte“und „mafiöse“Innenleben von Orbáns Machtapparat offen.
Am 15. März kündigte er bei einer Kundgebung auch schon die Gründung einer Partei der „nationalen Einheit“an, die als „ideologiefreie“Kraft der Mitte nicht nur die korrupte Regierung, sondern auch die „diskreditierte“linke Opposition aus dem Feld schla
gen wolle. Am Dienstagabend hielt Magyar mit Tausenden Anhängern eine weitere große Anti-Orbán-Demonstration ab, um den Rücktritt der ungarischen Regierung zu fordern.
Laut dem Analysten des Politikforschungsinstituts Republikon, Dániel Mikecz, kann die Tonaufzeichnung der Regierung vorläufig nichts anhaben, weil diese über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügt. Andererseits könnte der von Péter Magyar geschickt kanalisierte Unmut der Gesellschaft die Regierung noch in Bedrängnis bringen, so Mikecz. Nach Meinung des Politologen Zoltán Vasali würde solch eine Tonaufnahme „in jedem westeuropäischen Land zu einer schweren Regierungskrise führen“. Wie er sagte, hat die Orbán-Regierung ähnlich brenzlige Situationen aber schon öfter ausgesessen.