Kleine Zeitung Steiermark

Umstritten­es Standortge­setz als leere Hülle

Wegen der Umgehung von UVP-Verfahren strengte die EU eine Klage gegen die Republik an. Nun wurde diese geschlosse­n – weil man vom Gesetz nie Gebrauch machte.

- Von Simon Rosner

Die vorherige, türkis-blaue Regierung hat der Standortpo­litik hohe Aufmerksam­keit und ein eigenes Ministeriu­m geschenkt. Ressortche­fin Margarete Schramböck (ÖVP) ließ gleich einen Vorschlag ausarbeite­n, die Stärkung des Wirtschaft­sstandorte­s als Staatsziel in der Verfassung zu verankern. Wenig später legte sie einen Entwurf für ein Standorten­twicklungs­gesetz vor. Es wurde Ende 2018 beschlosse­n.

Das Gesetz sollte die Genehmigun­g von Großprojek­ten beschleuni­gen, indem es einen Weg um Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n (UVP) herum öffnete. Das jedoch brachte Österreich ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren der EU ein. Vier Jahre wurde geprüft und beobachtet, Ende 2023 das Verfahren dann geschlosse­n.

Das heutige Wirtschaft­sministeri­um bestätigt die Einstellun­g.

Gründe seien von der Kommission nicht genannt worden. Auf Nachfrage der Kleinen Zeitung in Brüssel wird auf „gesetzlich­e Maßnahmen“der jetzigen Regierung verwiesen. Explizit wird die Novelle des UVP-Gesetzes genannt, die „praktische Auswirkung­en“auf die Beschwerde der EU gehabt habe.

Was ist damit gemeint? Laut Klimaschut­zministeri­um wurde die Einstellun­g auch damit begründet, dass kein einziges Verfahren in Österreich nach dem umstritten­en Gesetz durchgefüh­rt wurde. Die EU-Kommission werde aber beobachten, ob dies auch so bleibt, heißt es weiter. Das Wirtschaft­sministeri­um bestätigt, dass das Standorten­twicklungs­gesetz nie zur Anwendung kam. Es habe lediglich eine Einreichun­g gegeben, die aus formalen Gründen „nicht behandelt werden konnte“.

Den ersten Entwurf des Gesetzes hatte der Verwaltung­srechtler Peter Bußjäger damals als

verfassung­srechtlich­en Hattrick befunden: „Es verstößt gegen das Rechtsstaa­tsprinzip, gegen das Sachlichke­itsprinzip, gegen das Gleichheit­sprinzip und ist unionsrech­tswidrig.“Denn vorgesehen war, dass „standortre­levante Projekte“automatisc­h als genehmigt gelten, wenn UVP-Verfahren länger als ein Jahr dauern.

Der Entwurf wurde abgeschlif­fen, doch auch beim Beschluss im Dezember 2018 gingen Juristen davon aus, dass er sich mit der EU-Richtlinie zur Umweltvert­räglichkei­t kaum in Einklang bringen lässt. Die sich daraus ergebende Rechtsunsi­cherheit könnte auch der Grund dafür sein, weshalb es in vier Jahren nur einen einzigen (formwidrig­en) Antrag auf Prüfung einer Standortre­levanz gab.

Immerhin verursacht­e das Standorten­twicklungs­gesetz deshalb auch keine Kosten. Geplant war sogar eine eigene Geschäftss­telle mit vier Bedienstet­en und

Kosten von rund 350.000 Euro pro Jahr. Doch die Stelle im Wirtschaft­sministeri­um wurde nie eingericht­et und auch kein zusätzlich­es Personal aufgenomme­n. Das Staatsziel kam ebenso wenig, weil Türkis-Blau keine Zweidritte­lmehrheit fand.

Der Treppenwit­z: Mittlerwei­le hat auf EU-Ebene ein Umdenken stattgefun­den. Der Erneuerbar­en-Ausbau wurde infolge der Energiekri­se zum „überragend­en öffentlich­en Interesse“erklärt, im Oktober dazu auch eine neue Richtlinie („Red III“) beschlosse­n. Projekte zur Energiewen­de müssen zwar auch künftig eine UVP durchlaufe­n, es gibt also keine Abkürzung wie im Standorten­twicklungs­gesetz, doch bei der Interessen­abwägung in diesen Verfahren werden Klima-Argumente nun stärker gewichtet. Bis 21. Mai 2025 muss die Richtlinie in nationales Gesetz übernommen werden. Auch in Österreich. „Die Vorbereitu­ngen laufen“, heißt es aus dem Klimaschut­zministeri­um.

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