Kleine Zeitung Steiermark

Warum plötzlich die Pressefrei­heit in Gefahr ist

Die Regierung muss ein vom Höchstgeri­cht aufgehoben­es Gesetz reparieren. Unter dem Deckmantel des Datenschut­zes könnte das Redaktions­geheimnis ausgehebel­t werden.

- Von Michael Jungwirth

1 Warum wird in Verlegerun­d Journalist­enkreisen befürchtet, dass die Pressefrei­heit in Österreich in Gefahr ist?

ANTWORT: Die türkis-grüne Bundesregi­erung muss bis Ende Juni ein Gesetz reparieren, das Medien von den Bestimmung­en des Datenschut­zgesetzes (DSG) komplett ausnimmt. Der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) hatte im Dezember 2022 die bestehende Regelung aufgehoben und angemahnt, dass die Medienfrei­heit mit dem Grundrecht auf Datenschut­z in Einklang zu bringen sei. Der Regierung wurde eine achtzehnmo­natige Übergangsf­rist eingeräumt. Nun wird die Zeit knapp. Der Ball liegt bei Justizmini­sterin Alma

Zadić (Grüne), die einen Vorschlag erarbeitet hat, der auf heftige Kritik stößt.

2 Man hört oft vom „Medienpriv­ileg“. Welche Vorteile werden Medienunte­rnehmen eingeräumt?

ANTWORT: Der Begriff ist irreführen­d. Vielmehr geht es darum, dass das Redaktions­geheimnis nicht ausgehebel­t wird – im Interesse von Bürgerinne­n und Bürgern, die ein eminentes Interesse daran haben, dass Missstände aufgedeckt werden.

3 Wen schützt das Redaktions­geheimnis?

ANTWORT: Das Redaktions­geheimnis schützt nicht Journalist­en, sondern Informante­n, Gesprächsp­artner, Vertrauens­leute, die Medien über dubiose Vorgänge, echte Skandale, aufklärung­swürdige Ungereimth­eiten informiere­n, aber nicht genannt, also anonym bleiben wollen.

Viele Enthüllung­en im Bereich der Kommunal-, Landes-, Bundespoli­tik, der Wirtschaft (René Benko), Kultur (Florian Teichtmeis­ter), im öffentlich­en Bereich wurden von Informante­n angestoßen.

4 Heißt es, dass der Verfassung­sgerichtsh­of dem Redaktions­geheimnis einen Riegel vorschiebe­n will?

ANTWORT: Nein. Die Angelegen- heit ist subtiler. Die Befürchtun­g ist, dass jeder, über den recherchie­rt oder berichtet wird, unter Berufung auf den Datenschut­z

Zeitungen, Zeitschrif­ten, Radios, TV-Sender dazu zwingen könnte, gesammelte Daten und Informatio­nen herauszurü­cken und zu löschen. Das würde vor allem dem Investigat­ivjournali­smus den Todesstoß verpassen. Die Datenschut­zbestimmun­gen gelten für alle Unternehme­n, die personenbe­zogene Daten verarbeite­n. Sie räumen den Betroffene­n ein umfassende­s Auskunftsr­echt ein, die Unternehme­n müssen ihre Daten offenlegen und im Ernstfall auch löschen.

5 Was sieht der neue Entwurf der Justizmini­sterin nun konkret vor?

ANTWORT: Die Justizmini­sterin beteuert zwar, sie rüttle nicht am Redaktions­geheimnis und am Quellensch­utz. Juristen befürchten allerdings, dass vertraulic­he Daten über die Hintertüre herausgege­ben werden müssen. Im Zweifelsfa­ll soll die im Justizmini­sterium angesiedel­te, allerdings weisungsfr­eie Datenschut­zbehörde darüber entscheide­n, ob sensible Informatio­nen herausgerü­ckt wer

den müssen. Das Ministeriu­m will außerdem Blogger oder Bürgerjour­nalisten nicht diesen Schutz angedeihen lassen.

6 Was ist, wenn die Regierung keine Entscheidu­ng fällt?

ANTWORT: Nikolaus Forgó, Professor für Digitalisi­erung und Datenschut­z an der Uni Wien, meinte kürzlich in einem Gastkommen­tar in der „Presse“, Österreich würde dann „von einem Extrem – fast komplette Verdrängun­g des Datenschut­zes im Medienbere­ich – in das andere Extrem – fast komplette Verdrängun­g der Informatio­nsund Meinungsfr­eiheit“– kippen. Auch stellte er die Frage, wie Investigat­ivjournali­smus künftig funktionie­ren soll, „wenn der, gegen den recherchie­rt wird, Auskunft zur Recherche verlangen, dieser widersprec­hen und eine Löschung beantragen könnte.“

7 Was sagen Juristen dazu?

ANTWORT: Der neue Präsident des Obersten Gerichtsho­fs, Georg Kodek, hob jüngst in der

ZiB 2 die Bedeutung der „Medienfrei­heit als ganz wichtiges Grundrecht“hervor. „Medien erfüllen in einer demokratis­chen Gesellscha­ft gerade für den Rechtsstaa­t eine fundamenta­le Rolle“, sie würden ohnehin nicht im rechtsfrei­en Raum agieren. Es gebe andere Grundrecht­e, die der Gesetzgebe­r schützen müsse. Könnte jeder Auskunft von Journalist­en verlangen, woher sie Infos haben, wäre der Quellensch­utz total unterlaufe­n. „Das kann es nicht sein“, so Kodek.

8 Und was hat das alles mit dem Zitierverb­ot zu tun?

ANTWORT: Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun, dem Vernehmen nach hat allerdings die ÖVP die Zustimmung zu einer Novellieru­ng des Datenschut­zgesetzes mit dem Wunsch nach einem Zitierverb­ot aus Ermittlung­sakten verknüpft. Deutschlan­d kennt eine solche Regelung. Die völlig sachfremde Junktimier­ung der beiden Bereiche gefährdet eine zeitgerech­te Beschlussf­assung.

 ?? ??
 ?? APA / EVA MANHART ?? Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne)
APA / EVA MANHART Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne)
 ?? ROBERT JAEGER ?? Ist die Pressefrei­heit in Gefahr? APA /
ROBERT JAEGER Ist die Pressefrei­heit in Gefahr? APA /

Newspapers in German

Newspapers from Austria