Was es mit diesen Häusern auf sich hat
Anita Ziegerhofer und Helmut Eberhart enthüllen in „Frostige Spurensuche“die geheimnisvolle Welt der steirischen Tiefkühlhäuser.
Bei einem Ausflug zur Riegersburg sind wir an einem unscheinbaren, alten Tiefkühlhaus vorbeigefahren und unser Forschungsinteresse wurde geweckt“, berichtet Helmut Eberhart über die erste Inspiration zum Projektstart rund um die steirischen Tiefkühlhäuser. Ab 1955 wurden die heute schlicht anmutenden Häuser in der ganzen Steiermark errichtet. Mittlerweile wurden einige abgerissen, haben eine andere Verwendung – etwa als Tonstudio oder Wohnung – gefunden oder stehen als baufällige Ruinen leer. Doch damals war die Anschaffung eines hauseigenen Gefrierschranks im Wert von bis zu 11.000 Schilling für die Landbevölkerung größtenteils unleistbar.
Die Tiefkühlhäuser ermöglichten es schließlich der breiten Masse, ihr Fleisch, Obst oder Gemüse einzufrieren. „Die innovative Technologie revolutionierte das Leben der ländlichen Bevölkerung“, erklären die Rechtshistorikerin Anita Ziegerhofer und der Kulturanthropologe Helmut Eberhart im Rahmen ihrer Buchpräsentation kürzlich in der Grazer Urania. Neben der neuen Technologie, den wirtschaftlichen und baurechtlichen Rahmenbedingungen beleuchtet das Duo in ihrem Buch „Frostige Spurensuche“auch die soziokulturellen Geschichten, die sich in und um die Tiefkühlhäuser abspielten. „Wir waren von der Fülle der Rückmeldungen und den lustigen, traurigen und skurrilen Geschichten, die uns zugetragen wurden, überwältigt.“
Mit dem neuen Buch haben die zwei Wissenschaftler eine Forschungslücke geschlossen. „Wir sind offenbar die Ersten, die sich dem Thema Tiefkühlhaus angenommen und eine Studie dazu gemacht haben“, erklärt Eberhart. „Begonnen hat alles mit einem Fragebogen, den wir an alle 285 steirischen Gemeinden ausgesendet haben“, ergänzt Ziegerhofer. Mithilfe dieser Fragen konnten die Forscher ein anschauliches Bild der steirischen Tiefkühllandschaft zeichnen. „Insgesamt gab es rund 800 Tiefkühlanlagen in der Steiermark, 50 davon sind heute noch in Betrieb“, so Ziegerhofer. Die Anlagen, die sukzessive in den 50er-Jahren in der Steiermark gebauten wurden, stellten einen zentralen und wichtigen Punkt im Dorfleben dar. Unterschieden wurde damals zwischen Kühlund Warmanlagen. Während die Kühlanlagen gänzlich bis auf Minus 18 Grad gekühlt wurden, konnte die Warmanlage auch mit luftiger Straßenkleidung betreten werden.
Doch neue Technologien sorgten auch damals schon für Diskussionen. Obwohl das Tiefkühlhaus hauptsächlich Vorteile mit sich brachte, gab es Vorbehalte. So war etwa in Zeitungsartikeln von mysteriösen Verkühlungsfällen zu lesen, die auf das vorherige Betreten der Kühlanlagen zurückgeführt wurden. „Nach den Vorfällen wurden sogar eigene Empfehlungen für die richtige Bekleidung im Tiefkühlhaus ausgegeben“, erklären die Forscher. Trotzdem hat sich das Tiefkühlhaus in der Steiermark etabliert und über Jahrzehnte gehalten.
Die Geschichten, die das Forscherteam gesammelt hat, geben auch Aufschluss über das Dorfleben von damals: „Das Tiefkühlhaus war ein Ort der Begegnung für Jung und Alt“, so Ziegerhofer. In den häufig sehr zentral gelegenen Liegenschaften wurde getratscht, Kinder spielten rundherum. Viele dieser lustigen, traurigen oder skurrilen Erzählungen wurden von den Forschern gesammelt und zu Papier gebracht.
In ihrem 269 Seiten starken Buch informieren die Wissenschaftler die Leser über technische, baurechtliche und wirtschaftliche Details der Tiefkühlhäuser, und sie erzählen die Geschichten rund um die alte Institution Tiefkühlhaus weiter, die ihnen die Dorfbevölkerung der Steiermark anvertraut hat.