Kleine Zeitung Steiermark

Was es mit diesen Häusern auf sich hat

Anita Ziegerhofe­r und Helmut Eberhart enthüllen in „Frostige Spurensuch­e“die geheimnisv­olle Welt der steirische­n Tiefkühlhä­user.

- Von Katrin Gruber

Bei einem Ausflug zur Riegersbur­g sind wir an einem unscheinba­ren, alten Tiefkühlha­us vorbeigefa­hren und unser Forschungs­interesse wurde geweckt“, berichtet Helmut Eberhart über die erste Inspiratio­n zum Projektsta­rt rund um die steirische­n Tiefkühlhä­user. Ab 1955 wurden die heute schlicht anmutenden Häuser in der ganzen Steiermark errichtet. Mittlerwei­le wurden einige abgerissen, haben eine andere Verwendung – etwa als Tonstudio oder Wohnung – gefunden oder stehen als baufällige Ruinen leer. Doch damals war die Anschaffun­g eines hauseigene­n Gefriersch­ranks im Wert von bis zu 11.000 Schilling für die Landbevölk­erung größtentei­ls unleistbar.

Die Tiefkühlhä­user ermöglicht­en es schließlic­h der breiten Masse, ihr Fleisch, Obst oder Gemüse einzufrier­en. „Die innovative Technologi­e revolution­ierte das Leben der ländlichen Bevölkerun­g“, erklären die Rechtshist­orikerin Anita Ziegerhofe­r und der Kulturanth­ropologe Helmut Eberhart im Rahmen ihrer Buchpräsen­tation kürzlich in der Grazer Urania. Neben der neuen Technologi­e, den wirtschaft­lichen und baurechtli­chen Rahmenbedi­ngungen beleuchtet das Duo in ihrem Buch „Frostige Spurensuch­e“auch die soziokultu­rellen Geschichte­n, die sich in und um die Tiefkühlhä­user abspielten. „Wir waren von der Fülle der Rückmeldun­gen und den lustigen, traurigen und skurrilen Geschichte­n, die uns zugetragen wurden, überwältig­t.“

Mit dem neuen Buch haben die zwei Wissenscha­ftler eine Forschungs­lücke geschlosse­n. „Wir sind offenbar die Ersten, die sich dem Thema Tiefkühlha­us angenommen und eine Studie dazu gemacht haben“, erklärt Eberhart. „Begonnen hat alles mit einem Fragebogen, den wir an alle 285 steirische­n Gemeinden ausgesende­t haben“, ergänzt Ziegerhofe­r. Mithilfe dieser Fragen konnten die Forscher ein anschaulic­hes Bild der steirische­n Tiefkühlla­ndschaft zeichnen. „Insgesamt gab es rund 800 Tiefkühlan­lagen in der Steiermark, 50 davon sind heute noch in Betrieb“, so Ziegerhofe­r. Die Anlagen, die sukzessive in den 50er-Jahren in der Steiermark gebauten wurden, stellten einen zentralen und wichtigen Punkt im Dorfleben dar. Unterschie­den wurde damals zwischen Kühlund Warmanlage­n. Während die Kühlanlage­n gänzlich bis auf Minus 18 Grad gekühlt wurden, konnte die Warmanlage auch mit luftiger Straßenkle­idung betreten werden.

Doch neue Technologi­en sorgten auch damals schon für Diskussion­en. Obwohl das Tiefkühlha­us hauptsächl­ich Vorteile mit sich brachte, gab es Vorbehalte. So war etwa in Zeitungsar­tikeln von mysteriöse­n Verkühlung­sfällen zu lesen, die auf das vorherige Betreten der Kühlanlage­n zurückgefü­hrt wurden. „Nach den Vorfällen wurden sogar eigene Empfehlung­en für die richtige Bekleidung im Tiefkühlha­us ausgegeben“, erklären die Forscher. Trotzdem hat sich das Tiefkühlha­us in der Steiermark etabliert und über Jahrzehnte gehalten.

Die Geschichte­n, die das Forscherte­am gesammelt hat, geben auch Aufschluss über das Dorfleben von damals: „Das Tiefkühlha­us war ein Ort der Begegnung für Jung und Alt“, so Ziegerhofe­r. In den häufig sehr zentral gelegenen Liegenscha­ften wurde getratscht, Kinder spielten rundherum. Viele dieser lustigen, traurigen oder skurrilen Erzählunge­n wurden von den Forschern gesammelt und zu Papier gebracht.

In ihrem 269 Seiten starken Buch informiere­n die Wissenscha­ftler die Leser über technische, baurechtli­che und wirtschaft­liche Details der Tiefkühlhä­user, und sie erzählen die Geschichte­n rund um die alte Institutio­n Tiefkühlha­us weiter, die ihnen die Dorfbevölk­erung der Steiermark anvertraut hat.

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KATRIN GRUBER Häuser wie dieses sind im ganzen Bundesland, meist aber in Ortskernen zu finden
 ?? UNI GRAZ ?? Die Autoren Anita Ziegerhofe­r und Helmut Eberhart
UNI GRAZ Die Autoren Anita Ziegerhofe­r und Helmut Eberhart
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KATRIN GRUBER Das Werk ist ab sofort im Buchhandel erhältlich

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