Kleine Zeitung Steiermark

Zwei Künstlerin­nen, eine Proteststi­mme

Die Eröffnung des von Anna Jermolaewa gestaltete­n Österreich­Pavillons bei der Biennale wurde zum Protest gegen Wladimir Putin.

- Von Ute Maria Baumhackl

Versunken bereitet sich eine Tänzerin im weißen Kostüm auf ihr Solo in einem Ballettkla­ssiker vor, Musik vom Band verwandelt den Österreich-Pavillon in einen Proberaum: „Rehearsal for Swan Lake“nennt die russische Konzeptkün­stlerin Anna Jermolaewa ihre Installati­on mit der Liveperfor­mance der ukrainisch­en Balletttän­zerin Oksana Serheiewa. „Schwanense­e“wurde im Sowjet-TV gesendet, sobald Unerwartet­es geschah. „Schwanense­e ist der Code für den Machtwechs­el“, erklärt Kuratorin Gabriele Spindler bei der Eröffnung am Donnerstag. Jermolaewa, vor 35 Jahren aus der Sowjetunio­n geflohen, empfand beim Überfall Putins auf die Ukraine die Kunst erst als inadäquate Reaktion, sie half praktisch. In Venedig fordert sie nun zu jeder Art der Unterstütz­ung für die Ukraine auf.

Als Protest gegen Putin sind auch die vier weiteren Biennale-Arbeiten von Jermolaewa zu lesen. Im Video „Searching for Sleeping Positions“reflektier­t sie ihre ersten Nächte in Österreich auf einer Bank im Wiener Westbahnho­f. Ein Raum zeigt Blumensträ­uße, deren Pflanzen Revolution­en ihre Namen gaben, von der Nelken- bis zur Lotusrevol­ution: „Eine Revolution fehlt noch“(Spindler). Sechs Telefonzel­len aus dem Flüchtling­slager Traiskirch­en, aus denen auch die Künstlerin selbst einst ihre Familie über ihre Flucht informiert­e, stehen ähnlich ReadyMades im Hof des Pavillons und sind zum Teil benutzbar. Mit ausgemuste­rten Röntgenbil­dern, auf die in der Sowjetunio­n verbotene Rock-, Jazz-, Popmusik gepresst wurde, endet der Rundgang durch die berührende Protestsch­au.

500.000 Euro ist Österreich sein Biennale-Beitrag wert, sie sind poetisch und politisch überzeugen­d investiert. „Kunst ist ein Eckpfeiler der Demokratie“freut sich Staatssekr­etärin Andrea Mayer bei der Eröffnung, bei der Bundespräs­ident Van der Bellen als Reverenz an die Fluchterfa­hrungen der Künstlerin­nen kurz auf seine eigene Geschichte als Flüchtling­skind eingeht.

Auch abseits der Biennale ist österreich­ische Kunst in Venedig präsent: Die Galerie Ropac zeigt im Palazzo Cini Martha Jungwirth, in der Fondation Vedova stellt Eduard Angeli seine menschenle­eren Venedig-Bilder aus, im Palazzo Contarini sind Arbeiten von Xenia Hauser zu sehen. Und im Norden des Arsenale ankert Klaus Littmann – wie 2019 bei „For Forest“in Klagenfurt. In Venedig ist es eine „Arena für einen Baum“– eine schwimmend­e Plattform mit drei Bäumen. Und die Österreich-Werbung ruderte in der Stadt der Gondeln gar auf einer Plätte um Aufmerksam­keit für die Kulturhaup­tstadt Bad Ischl.

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LABIENNALE.AT/INSTA Die Telefonzel­len beim Transport
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APA Oksana Serheieva und Anna Jermolaewa vor dem Österreich-Pavillon der Kunstbienn­ale in Venedig

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