Auf dem Parkplatz ist die Hölle los
Echte Tuning-Fans haben keine Freude mit nächtlichen Ausritten der Roadrunner-Szene. Die plant schon ihr nächstes Autotreffen.
Da war einiges los rund um Graz letzten Samstag. Vorwiegend junge PSFreaks gaben mit Autos und Motorrädern ab dem späten Abend auf Parkplätzen und in Gewerbegebieten Gas und Gummi. Videos von waghalsigen Drifts, bejubelt von Tausenden Zusehern, tauchten später in sozialen Netzwerken auf. Unter „Graz Außerkontrolle“war das Treffen auf Instagram vorab angekündigt worden. Die exakten Standorte erfuhr man aber immer erst kurzfristig.
Mit der Polizei spielte man Katz und Maus. „Wir wussten vom Treffen, aber nicht genau, wann und wo“, erzählt Klaus Rexeis, stellvertretender Leiter der Landesverkehrsabteilung. Sein Eindruck: „Das war sicher eines der größten, das wir bisher hatten.“Geschätzt 700 Fahrzeuge und 1500 Personen bildeten den Tross. Viele reisten aus anderen Bundesländern an, die meisten waren nur zum Schauen gekommen. Ein 17-Jähriger meinte, die johlende Menge via Megafon zur Gewalt gegen die Polizisten aufstacheln zu müssen. Sie folgte ihm nicht, es blieb verhältnismäßig ruhig.
Dennoch setzte es 164 Anzeigen. 20 „Taferln“wurden abgenommen, nachdem die Techniker der Kfz-Landesprüfstelle „Gefahr im Verzug“feststellten. Zu breite Reifen, Flüssigkeitsverlust und ausgebaute Partikelfilter waren die häufigsten Mängel. „Viele schöne oder frisierte Fahrzeuge waren aber nicht dabei“, fiel Rexeis’ Kollegen auf. Den Teilnehmern sei es eher darum gegangen, „möglichst viel Lärm, Rauch und Gestank zu produzieren“.
Das ist der Punkt, wo auch Dominik Schablas energisch einhakt. Der Eventmanager aus Gössendorf ist das Gesicht der steirischen Tuning-Szene. Dort ist man zwar ebenso autonarrisch, mit der Roadrunner-Szene will man aber nicht in einen Auspufftopf geworfen werden. Der größte Unterschied zeige sich schon bei den Autos: „Das sind ja fast alles nur seriennahe Fahrzeuge“, urteilt Schablas. Hingegen komme man beim Tuning selten ohne Typisierung der Anbauten aus. Der klassische Einstieg basiere auf den drei großen F: Felgen, Fahrwerk, Folie.
Und ja, es ist ein teures Vergnügen. „Du kaufst dir Dinge, die du definitiv nicht brauchst, mit Geld, das du oft nicht hast, um Menschen zu beeindrucken, die du gar nicht kennst“, gibt der 30Jährige eine Tuner-Weisheit wieder. Während ein Einsteiger sich seinen Audi, BMW und Co um 10.000 Euro aufmotzt, gibt der Freak schon mal das Zehnfache aus. Nach oben gibt es ohnehin keine Grenzen. Die edelsten „Trailer-Queens“werden per Anhänger zum staunenden Publikum gekarrt, auf öffentlichen Straßen sind sie tabu. Dass sich vor allem Junge ihre Pferdestärken fremdfinanzieren lassen, ist
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Diese Leute wollen möglichst viel Lärm, Rauch und Gestank produzieren.
Klaus Rexeis Landesverkehrsabteilung “
kein Geheimnis. Manche Banken haben sich auf diese Sparte spezialisiert.
Will ein Tuning-Fan etwas kompensieren? Schablas antwortet mit einer Gegenfrage: „Wo im Leben wird nicht kompensiert?“Für ihn ist der Autofetisch ein Lifestyle und ein Wirtschaftsfaktor – zu dem der gelernte Kinderpädagoge selbst beiträgt. Mit 20 Jahren begann er, Tuning-Treffen vor dem Almrausch in Lannach zu organisieren. 37 Autos kamen zum ersten Treffen seiner „low scty“. Mittlerweile steht die Marke für professionelle Events für die Szene, wie das „low scty goes Red Bull Ring“am 4. Mai, laut Eigendefinition größtes Automobil-Motorsport-Mobilitäts-Festival Österreichs. Für Action sorgt dort ein Beschleunigungsrennen über die Viertelmeile. Alles unter strengen Auflagen, alles unter Augen der Polizei. „Das Illegale hat es bei mir nie gegeben“, betont der Fahrer eines Porsche.
Bei den Driftshows der Roadrunner sei es hingegen schon zu bösen Unfällen gekommen. „Wenn viele Leute zuschauen und die Fahrer Stoff geben, besteht die Gefahr, dass es zu einem folgenschweren Ausritt kommt“, nickt Polizist Rexeis. Beim Treffen letzte Woche gab es nur etwas verbeultes Blech. Neben viel Müll ließen die Teilnehmer auch beschädigte Asphaltflächen zurück, weshalb die Grundeigentümer Klage erwägen. Unterdessen sieht die Polizei mit Sorge dem kommenden Wochenende entgegen. Für den 27. April ist das nächste Treffen angekündigt. Und da könnte nicht nur am Parkplatz die Hölle los sein.
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Felgen, Fahrwerk, Folie. Das ist der klassische Einstieg ins Tuning.
Dominik Schablas Veranstalter und Tuning-Freak “