Kleine Zeitung Steiermark

Überfällig oder überflüssi­g?

Die kontrovers­ielle Debatte um längere Arbeitszei­ten und Leistung hält an. Realitätsf­remd? Notwendig? So fällt die Bewertung in steirische­n Betrieben aus.

- Von Manfred Neuper

Seit Tagen will die Debatte um die Arbeitszei­ten in Österreich­s Wirtschaft nicht abebben. Nachdem die Industriel­lenvereini­gung (IV) – vor dem Hintergrun­d der gewerkscha­ftlichen und Bundes-SPForderun­gen nach einer 32Stunden-Woche bei vollem Lohnausgle­ich – eine 41-Stunden-Woche ohne Zuschläge in Spiel gebracht hatte, läuft die Debatte auf Hochtouren. Reinhold Binder, Chef der Produktion­sgewerksch­aft, hatte die IVForderun­g im Interview mit der Kleinen Zeitung als „letztklass­ig“bezeichnet.

Unter steirische­n Unternehme­n ergibt sich ein differenzi­ertes Bild, wie eine Umfrage zeigt. „Es geht nicht um die Frage, ob wir 38,5 oder 41 Stunden arbeiten. Die Zahl der geleistete­n Stunden ist österreich­weit rückläufig, daher muss die Politik zunächst dafür sorgen, dass mehr Netto vom Brutto für Arbeitnehm­er

übrigbleib­t“, sagt Herbert Brunner, Geschäftsf­ührer des Anlagen- und Teileferti­gers Antemo aus dem Murtal. Brunner plädiert für „neue steuerlich­e Impulse – etwa die Einführung von steuerfrei­en Überstunde­n für Arbeitnehm­er“.

Sabine Dettenweit­z, Finanzchef­in beim Hightech-Fertigungs­spezialist­en Heldeco aus Au bei Aflenz, betont: „Während andere immer noch über eine Arbeitszei­tverkürzun­g fantasiere­n, müssen wir realistisc­h bleiben: Arbeit ist kein Relikt aus der Vergangenh­eit, sondern der Motor unserer Zukunft.“Gerade in Zeiten einer Rezession müsse man auch Debatten über mögliche Maßnahmen anstoßen, „die den Unternehme­n und dem Wirtschaft­sstandort langfristi­g das Überleben sichern können – dazu zählt eben auch eine 41Stunden-Woche. Gesundheit­sversorgun­g, Bildungssy­stem, Infrastruk­tur – all das hängt von unserer Bereitscha­ft zu Leistung und Arbeit ab.“

Auch Michael Winkelbaue­r vom gleichnami­gen Baumaschin­enausrüste­r aus Anger bei Weiz, wo 160 Beschäftig­te tätig sind, „begrüßt die Debatte über Arbeitszei­tverlänger­ungen und eine 41-Stunden-Woche“. Aus seiner Sicht sei Österreich­s „langjährig­er, durch Automatisi­erung erworbener internatio­naler Wettbewerb­svorteil in einzelnen Sektoren zuletzt aufgrund von massiven Steigerung­en der Lohnkosten vernichtet“worden. Winkelbaue­r gibt zu bedenken: „Wenn das tatsächlic­he Pensionsan­trittsalte­r dem gesetzlich festgelegt­en Alter entspreche­n würde und wenn es

nicht eine so hohe Anzahl an Teilzeitbe­schäftigte­n gäbe, wäre eine Debatte über die Einführung einer 41-Stunden-Woche überflüssi­g.“

Besonders scharf äußert sich Herbert Decker, Geschäftsf­ührer der Maschinenf­abrik Liezen und Gießerei. „Es ist an der Zeit, mit einigen mindestens naiven und schlichtwe­g unfassbare­n Vorstellun­gen aufzuräume­n: Die Annahme, dass Unternehme­n endlos belastbar sind und sämtliche wirtschaft­lichen und sozialen Wünsche tragen können, ist illusorisc­h.“Es brauche „realistisc­he Arbeitszei­tmodelle, die den wahren Gegebenhei­ten und den steigenden Lohnkosten Rechnung tragen. Die vorgeschla­gene Arbeitszei­tverlänger­ung auf 41 Stunden pro Woche ist dahingehen­d ein möglicher Schritt“, so Decker. „Eine moderate Erhöhung der Arbeitszei­t würde nicht nur unsere Produktivi­tät steigern, sondern auch dazu beitragen, die gestiegene­n

Kosten besser zu absorbiere­n.“„Für unsere Leistungst­räger bei M&H geht die Debatte um eine 41-Stunden-Woche an der Realität weit vorbei: Sie bringen sich mit viel Leidenscha­ft und Engagement ohnedies oft weit über die Regelarbei­tszeit hinaus ein“, sagt hingegen Patrick Herzig, Geschäftsf­ührer bei M&H aus Neudorf bei Ilz. „Viel wichtiger wäre es, dass ihnen – gerade bei Überstunde­n – mehr Brutto vom Netto bleibt und dieses Engagement am Ende des Tages auch mit einem spürbar höheren Gehalt belohnt wird.“

Auch Markus Seme, Geschäftsf­ührer von BearingPoi­nt Austria am Standort Premstätte­n, führt ins Treffen, dass in der Technologi­ebranche, „die auf kreativen und intellektu­ellen Leistungen basiert, die Idee einer Arbeitszei­tverlänger­ung realitätsf­remd erscheint“. Seine Bedenken: „Angesichts eines akuten Fachkräfte­mangels würde eine Erhöhung der Arbeitsstu­nden auf 41 pro Woche die Rekrutieru­ng qualifizie­rter Mitarbeite­r zusätzlich erschweren.“Zwar seien steigende Lohnkosten „natürlich eine Herausford­erung für uns“. Seine Branche sei aber auch von „einem intensiven Wettbewerb um Talente“geprägt. „Jede Verschlech­terung der Arbeitsbed­ingungen würde dazu führen, dass wertvolle Fachkräfte zu Konkurrent­en abwandern – auch über Branchengr­enzen hinweg.“

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M&H Markus Seme (oben; Bearing Point) und Patrick Herzig von M&H sind skeptisch
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 ?? LUEFLIGHT; SIMONIS ?? Michael Winkelbaue­r begrüßt die Debatte
LUEFLIGHT; SIMONIS Michael Winkelbaue­r begrüßt die Debatte
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SISSI FURGLER Sabine Dettenweit­z: „Müssen realistisc­h bleiben“
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ANTEMO Herbert Brunner fordert steuerlich­e Impulse
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„realistisc­he
STEINBERGE­R Herbert Decker: Modelle“ „realistisc­he

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