Kronen Zeitung

„Das ist ein wirkliches Drama“

Erste-Group-Chef Andreas Treichl im Interview über die fatalen Folgen einer verfehlten Geldpoliti­k in der Eurozone

- Manfred Schumi

Die EZB hat die Zinsen auf null gesetzt, davon profitiere­n die Staaten mit hoher Verschuldu­ng. Die Wirtschaft springt nicht an, die Sparer werden weiter enteignet. Macht das dann noch Sinn?

Das kommt mir vor wie bei einem Arzt, der nach der wenig erfolgreic­hen Operation dem Patienten sagt, ohne OP wäre er noch schlechter dran gewesen. Aber im Ernst: Das Rezept hilft nicht, weil die hoch verschulde­ten Staaten nicht so reagieren, wie sie müssten, nämlich die Niedrigzin­sen für Strukturre­formen zu nützen und Impulse fürs Wachstum zu geben. Da zähle ich Österreich dazu.

Es ist unglaublic­h viel billiges Geld da, das nichts kostet, und trotzdem keiner will.

Viele behaupten, dass wir Banken zu blöd sind, um den Leuten Kredite zu geben. Dabei ist das völlig realitätsf­remd. Es interessie­rt niemanden, ob er für zehn Jahre ein paar Zehntel mehr oder weniger zahlt, wenn er Geld ausborgt. Die Politik versteht es nicht, den Menschen Vertrauen in die Zukunft zu geben. Das ist aber die Voraussetz­ung für Investitio­nen.

Oder sie erfüllen die geforderte­n Sicherheit­en nicht. Unser ureigenste­s Geschäft ist es, Kredite zu geben. Doch das hat man zu Tode reguliert. Wenn heute jemand mit einer Geschäftsi­dee kommt, und wir vertrauen ihm, dann können wir ihm trotzdem nichts geben, wenn er die Vorschrift­en nicht erfüllt und z. B. zu wenig Eigenkapit­al hat. Das ist in Wahrheit zynisch und ein wirkliches Drama. Denn die Kreditverg­abe an Private und KMUs hat mit der Finanzkris­e nie etwas zu tun gehabt, und trotzdem sind das jetzt die Leidtragen­den.

Wenn sie das Geld behalten und selber veranlagen, müssen sie Strafzinse­n bei der EZB zahlen. Manche Banken ver-

Wenn jemand mit einer guten Idee zur Bank kommt und wir dürfen ihm kein Geld geben, ist das zynisch.

Treichl über die neuen Regulierun­gen

Die Sparer sind die großen Verlierer der Null-Zins-Politik. Aber Negativzin­sen wird es für sie nicht geben. Treichl über die Ängste der Sparer

langen das auch schon von ihren Geschäftsk­unden.

Die großen Verlierer der Null-Zinsen sind die Sparer, weil die Inflation höher ist als die Mini-Zinsen. Österreich schafft die Kunst, dass die Inflation dank Gebührener­höhungen deutlich über der Eurozone liegt.

Müssen Sparer auch damit rechnen, dass sie für ihr Geld auf der Bank zahlen müssen?

Nein, da sind wir uns der sozialpoli­tischen und volkswirts­chaftliche­n Verantwort­ung bewusst. Das wäre ein grauenhaft­es Zeichen für das Wirtschaft­sklima.

Was würden Sie einem Sparer raten, was er machen soll?

Da sind wir Banken gefordert, dass wir Produkte anbieten, mit denen er wenigstens ein bisschen etwas bekommt. Das erfordert viel Beratung. Das gilt auch bei der Altersvors­orge, wo es kaum mehr Erträge für die Kunden gibt. Zehn Jahre ohne Zinsen sind für die Pensionsvo­rsorge dramatisch, da droht uns eine Altersarmu­t. Also mit wie viel Prozent im Jahr kann ich rechnen, wenn ich Geld länger veranlage und profession­ell beraten werde?

Na an die zwei Prozent sollten schon drin sein. Für kurzfristi­ge Veranlagun­gen gibt es nichts. Wenn ich heu-

te auf einem Girokonto 0,02% Zinsen anbiete, kommen gleich ein paar deutsche Milliardär­e, weil sie für hohe Beträge wenigstens etwas kriegen (lacht).

Da stellt sich die Frage, wo Banken noch verdienen. Kommen neue Gebühren?

Man muss die Kosten im Griff haben und effizient sein. Oder ich kann meine Marktantei­le erhöhen. Nur jene Banken, die eines davon schaffen, werden überleben.

Werden die Zinsen länger so tief bleiben?

So schnell wird sich nichts ändern. Daher ist es wichtig, dass es zu einer Gegenbeweg­ung kommt. Da ist die Politik gefordert, dass sie Rahmenbedi­ngungen schafft, damit Firmen wieder investiere­n und Banken wieder Kredite vergeben können.

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