„Nächtelang haben wir nur Karten gespielt“
Alexander Van der Bellen (72) und sein Sohn Florian (47) über eine Kindheit in Tirol und Berlin, Comics an der Uni und die neuerliche Hochzeit des Vaters.
6Malerisches Bergpanorama am Eingang zum Tiroler Kaunertal. Alexander und Florian Van der Bellen sitzen, in Schaffelle gehüllt, auf der Terrasse des Tramser Hofes und blinzeln in die Frühlingssonne. Der Sohn ist Unternehmensberater mit Schwerpunkt Barrierefreiheit und spricht gemächlich wie sein Vater, der sich schon nach wenigen Minuten die erste Chesterfield light anzündet. „Bei der Kulisse samma foscht im Weg“, brummt der langjährige Grünen-Chef später beim Foto-Shooting vergnügt. Da sitzen Vater und Sohn auf einem Felsen vor dem Bergsee, hinter ihnen spiegeln sich die Fichten im glitzernden Wasser.
Rauchen als Markenzeichen: Raucht auch Alexander Van der Bellens Sohn?
Florian: Ja. Ich habe schon sehr früh damit begonnen. Heimlich natürlich, so mit 15. – Der Vater verzieht keine Miene. – Nil, Hobby, Ronson, wir haben geraucht, was wir kriegen
konnten. Und uns gegenseitig überboten mit dem Nikotingehalt. Die Ronson hatten 1,6 Milligramm damals, das ist schon ein Hammer. Wollte der Vater dem Sohn das nie abgewöhnen? Alexander: Nein, ich glaube, ich war da zu liberal. Wie war’s bei Marihuana?
Florian: Das war nie meins. Ich habe den Geruch nie mögen, und es hatte auch nicht die Wirkung, die man mir versprochen hatte.
Alexander: Wenn ich gewusst hätte, dass er das probiert, hätte ich ihm dringend abgeraten. Davon
wurde ihm aber eh sofort hundsmiserabel schlecht.
Stichwort liberal: Wurden die Van-der-Bellen-Söhne antiautoritär erzogen?
Alexander: Ich würde sagen, mit einem Minimum an Geboten. Höflich bleiben, auch wenn man sich mit der Großmutter streitet, solche Sachen. Ansonsten lautete unser Motto: Leben und leben lassen. Beim zweiten Kind ist man auch schon viel gelassener. Beim ersten glaubst du noch, der wird genau wie du, bis man feststellt: Das sind ja ganz eigene Menschen. Florian: Trotzdem sind wir einander sehr ähnlich. Einmal bin ich ans Telefon gegangen: „Hier Van der Bellen.“Dann hat mir der weiß Gott was erzählt und gar nicht mehr aufgehört. Nach einer Viertelstunde
hab ich gesagt: „Aber mein Vater ist leider nicht zuhause.“Ich habe dieselbe Stimme wie der Saschi. Saschi? Wann hat das begonnen?
Florian: Ich habe, seit ich denken kann, Saschi zu ihm gesagt. Und meine Mutter war die Mami. Was war Alexander Van der Bellen für ein Vater?
Florian: Ein sehr gemütlicher. Ich habe ihn oft an der Uni besucht. Sein Schreibtisch war immer überhäuft mit Büchern. Da gab es kaum Platz, sich hinzusetzen. Aber der Saschi hatte immer auch Comics in der Schublade: Asterix, Tim und Struppi. Das habe ich übrigens von ihm geerbt: Meine Schreibtische schauen genauso aus.
Alexander: Florian war auch ein recht gemütliches Kleinkind, aber ein bisschen ein Sturschädel.
Florian: Bei dem Vater kein Wunder!
Alexander: Wir haben die Ferien immer in einem Dorf im Kaunertal verbracht. Da konnten die Kinder überall herumtollen.
Florian: Es war wirklich sehr, sehr unbeschwert. Man ist zum Bach gegangen, hat einmal ein Feuerchen gemacht oder ist Schwammerln suchen gegangen. Später haben wir dann sehr viel Karten gespielt.
Alexander: Fufzehn obi! Man kennt es in Tirol auch als Schnellen.
Florian: Nächtelang haben wir nur Karten gespielt, um den symbolischen Einsatz von 5 Groschen. Mein Vater ist ein guter Gegner. Es verleidet ihm die Lust nicht, auch wenn er verliert. Wurde Florian religiös erzogen?
Alexander: Mein älterer
Sohn Niki wurde getauft, Florian nicht.
Florian: Ich habe mich später taufen lassen, damit meine Frau und ich kirchlich heiraten konnten.
Apropos Heiraten: Wie hat der Sohn es aufgenommen, dass Alexander Van der Bellen letztes Jahr noch einmal geheiratet hat?
Florian: Ich habe es gewusst, konnte aber leider nicht an der Hochzeit teilnehmen. Ich bin 47, also da hat so etwas nicht mehr die Dramatik, die eine Scheidung bei kleinen Kindern hat. Ich musste mich auch nicht entscheiden, ob ich
Ich habe dieselbe Stimme wie der Saschi. Und ja, ich habe schon sehr früh mit dem Rauchen begonnen. Florian Van der Bellen hat viel von seinem Vater Von Marihuana hätte ich ihm abgeraten. Davon wurde ihm aber eh sofort hundsmiserabel schlecht. Alexander Van der Bellen hatte keine Ahnung
beim Saschi oder bei Brigitte wohne. – Beide lachen.
Wie lange weiß Florian eigentlich schon, dass sein Vater als Bundespräsident kandidieren will?
Florian: Er hat sich ja geziert, und dann haben mich die Leute natürlich angesprochen: Was ist jetzt? Da musste ich ihn halt einmal fragen.
Alexander: Das muss im Sommer oder im Herbst letzten Jahres gewesen sein. Ich wusste es bereits, habe aber keinen Anlass gesehen, so früh an die Öffentlichkeit zu gehen.
Hat der Vater den Sohn politisch geprägt?
Alexander: Also ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was er gewählt hat.
Florian: Ich habe bei meiner ersten Wahl Grün gewählt, aber dem Vranitzky meine Vorzugsstimme gegeben, und damit war mein Stimmzettel ungültig. Hätte Florian auch FPÖ wählen dürfen?
Alexander: Ja, schon. Nur da würde ja etwas dahinterstehen.
Florian: Was das betrifft, musste er gar nicht tolerant sein.
Alexander: Ach was, wir hätten das Thema beim Biertrinken oder beim Kartenspielen einfach vermieden.