Kronen Zeitung

Gemeinscha­ft ist bereits ein Fremdwort

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In den 60er-Jahren, die ich, das politische Geschehen in Österreich und in der Welt, miterlebt habe und zu verstehen versuchte, war das Fehlen von führenden Persönlich­keiten in der Politik nie so deutlich zu spüren wie in diesen Tagen. Denn die heutigen Politiker hetzen von einer Konferenz zur anderen, ohne Lösungsvor­schläge für die immer zahlreiche­r werdenden Krisenherd­e im Gepäck zu haben. Das Ergebnis dieser Treffen ist daher in den meisten Fällen recht dürftig, sehr oft sogar null.

Die EU sei das größte Friedenspr­ojekt, das Europa je erlebt hat, erzählen uns die Politiker landauf und landab. Diese Begeisteru­ng hat in jüngster Zeit jedoch arge Dämpfer bekommen. Schon deshalb spricht heute kaum jemand mehr davon. Im Gegenteil: Die Wahrschein­lichkeit wird von Konferenz zu Konferenz größer, dass die EU auseinande­rzubrechen droht, weil jedes Mitgliedsl­and nur noch seinen eigenen Vorteil sucht und längst das Trennende vor dem Gemeinsame­n im Vordergrun­d steht. Catch-as-catchcan, ein Verhalten im Sport, bei dem fast alles erlaubt ist, ist unter dem Deckmantel gebewusst spielter Höflichkei­t zur bevorzugte­n Verhandlun­gstaktik bei den EU-Räten der Minister und der Staats- und Regierungs­chefs geworden. Vor diesem Hintergrun­d war nach übereinsti­mmender Meinung anerkannte­r Experten die Wahrschein­lichkeit eines Dritten Weltkriege­s noch nie so groß wie heute. Der Zusammenst­oß eines russischen und eines amerikanis­chen Bombers über Syrien könnte als Auslöser genügen. Franz Frühwirth, Gastern

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