Festspieldramaturgie – bis zum „100er“
„Ich habe die tröstliche Gewissheit, nie anzukommen“: Mit einem weisen Satz – einer Paraphrase auf Thomas Bernhards Satz „Wer am Ziel ist, ist naturgemäß unglücklich“– verabschiedete sich Sven-Eric Bechtolf in einem Interview kürzlich als interimistischer Intendant der Salzburger Festspiele. Er hat diese Herausforderung, das Führungsvakuum bei den Salzburger Festspielen nach Alexander Pereiras abruptem Abgang nach Mailand zu überbrücken, gemeinsam mit Festspielpräsidentin Helga RablStadler mit Energie bewältigt. Er arbeite mit Freude an der Aufgabenvielfalt – auch als Regisseur & Schauspieler.
Am 1. September ist Markus Hinterhäuser Salzburgs neuer Festspielintendant – auch als Rückenstärkung bleibt Präsidentin Helga Rabl-Stadler bis 2020 – bis zum Fest „100 Jahre Salzburger Festspiele“. Hinterhäuser, der zuletzt den Wiener Festwochen ein neues Konzept verpasste, will in Salzburg neue Wege gehen: ein „Epizentrum des Besonderen“schwebt ihm vor, wie er betont. Er macht kein Geheimnis daraus, wie sehr er die Arbeit des früheren – oft heftig attackierten – Intendanten Gérard Mortier schätzt.
Für sein Opernprogramm 2017 bedeutet das: einen Idealmix! 2017 treten Musiker wie Riccardo Muti, Franz WelserMöst, Mariss Jansons, Wladimir Jurowski, Teodor Currentzis an, Regisseure wie die Iranerin Shirin Neshat, William Kentridge, Peter Sellars, Andreas Kriegenburg, Christoph Loy, Sängerstars wie Anna Netrebko und Matthias Goerne, aber auch bedeutende bildende Künstler wie Kentridge („Wozzeck“) oder Neshat und Peter Zumthor („Aida“).
„Sehr intellektuell“nennen um den Kartenverkauf besorgte Skeptiker Hinterhäusers Konzept und Projekte, die vom Allerwelts-Festival weit abrücken. Alle, die nur aufs Geld schauen, liegen damit falsch. Salzburg braucht bis zu seinem „100er“Erneuerung, ein unverwechselbares Weltklasse-Konzept, einen Innovationsschub und exklusive künstlerische Qualität. Und das nicht nur wegen der (Extrem-)Kartenpreise.
Früher wurde Salzburgs Festspiel-Dramaturgie seit Hofmannsthal, Reinhardt & Strauss heftig diskutiert. Sie ist in den letzten Jahren einem Festival auf Nummer sicher gewichen. Hinterhäuser zeigt, wie wichtig Reflexion über das Festival in Hinkunft sein wird.