Not im Theater deutscher Sprache
Das misslungene Lichtdesign auf dem Schwarzenbergplatz lässt ebenso grüßen wie die gleißenden Objekte internationaler Kunstbiennalen: In diesem Ambiente sucht Philipp Hauß als neuer Wiener Tasso Platz zwischen dichterischem Schwärmen und rationalem Denken. Zum Elysium führt er sein Publikum aber nicht!
Die Welt ist ihm in der schicken Version von Regisseur Martin Laberenz und dessen Team Volker Hintermeier (Bühnenbild) und Florian Hirsch (Dramaturgie) zwar abhanden gekommen, aber er lebt schlussendlich nicht in seinem „Lieben, in seinem Lied“, wie es Friedrich Rückert in seinem von Gustav Mahler vertonten Gedicht anklingen lässt.
Das Gedicht „La Gerusalemme liberata“wird von „Tasso“Philipp Hauß zu Beginn sortiert, seinen Kampf mit der Epik glaubt man nicht. Hauß bleibt dabei Hauß! Denn es wird leise Not des Dichters ausgeblendet,
mit Eitelkeit übertüncht: Das Ganze im Hier und Heute anzusiedeln ist zulässig, aber wieso dürfen Poesie, Gefühl und innere Zerrissenheit keinen Platz mehr haben? Was zählt da noch zu Zitat Gewordenes wie „erlaubt ist, was gefällt“
(Tassos Anspruch u. a. bei Freiheit, Künstlertum, Liebe), wenn ihm seine angebetete Leonore von Este mit der Antwort „erlaubt ist, was sich ziemt“an die Wäsche geht, das Paar sich fast nackt erregt? Die Ohnmacht des heutigen Theaters gegenüber der Sprache (wohl schon Unglaube) wird nicht nur hier deutlich.
Laberenz suchte für seine mit psychedelischen Klängen untermalte Inszenierung (Musik: Friederike Bernhardt) die Ironie, fand aber
nur wieder Altbekanntes wie Wiederholungen, launische Einwürfe – und die Flucht in die Banalität.
Hübsch herausgeputzte Neuzeit-Typen (Kostüme: Aino Laberenz), vornehmlich natürlich Tasso und Staatssekretär Antonio, geraten sich am Hof des Herzogs von Ferrara in die Haare. Dichterische Freiheit gegen rationales Denken? Von wegen: Die Diskussion artet zum Schreiduell und zu Gewalt aus, in dem Goethe untergeht, die Frage nach dem „Warum der Disput?“den Geist des Betrachters, der Betrachterin erlahmt.
Auch das (zum Teil in der Pause flüchtende) Publikum kann wohl Goethe in „hehrem“Ton nicht mehr ertragen, das „erste Theater deutscher Sprache“begibt sich dennoch wieder einmal in die Niederungen der Sprechkultur: Ignaz Kirchner (Herzog) und Dorothee Hartinger (Leonore Sanvitale) zeigen noch Niveau, Andrea Wenzl (Leonore von Este) und Ole Lagerpusch (Antonio) bleiben sprachlich wie darstellerisch eindimensional. Fad!