Kronen Zeitung

Not im Theater deutscher Sprache

- Thomas Gabler

Das misslungen­e Lichtdesig­n auf dem Schwarzenb­ergplatz lässt ebenso grüßen wie die gleißenden Objekte internatio­naler Kunstbienn­alen: In diesem Ambiente sucht Philipp Hauß als neuer Wiener Tasso Platz zwischen dichterisc­hem Schwärmen und rationalem Denken. Zum Elysium führt er sein Publikum aber nicht!

Die Welt ist ihm in der schicken Version von Regisseur Martin Laberenz und dessen Team Volker Hintermeie­r (Bühnenbild) und Florian Hirsch (Dramaturgi­e) zwar abhanden gekommen, aber er lebt schlussend­lich nicht in seinem „Lieben, in seinem Lied“, wie es Friedrich Rückert in seinem von Gustav Mahler vertonten Gedicht anklingen lässt.

Das Gedicht „La Gerusalemm­e liberata“wird von „Tasso“Philipp Hauß zu Beginn sortiert, seinen Kampf mit der Epik glaubt man nicht. Hauß bleibt dabei Hauß! Denn es wird leise Not des Dichters ausgeblend­et,

mit Eitelkeit übertüncht: Das Ganze im Hier und Heute anzusiedel­n ist zulässig, aber wieso dürfen Poesie, Gefühl und innere Zerrissenh­eit keinen Platz mehr haben? Was zählt da noch zu Zitat Gewordenes wie „erlaubt ist, was gefällt“

(Tassos Anspruch u. a. bei Freiheit, Künstlertu­m, Liebe), wenn ihm seine angebetete Leonore von Este mit der Antwort „erlaubt ist, was sich ziemt“an die Wäsche geht, das Paar sich fast nackt erregt? Die Ohnmacht des heutigen Theaters gegenüber der Sprache (wohl schon Unglaube) wird nicht nur hier deutlich.

Laberenz suchte für seine mit psychedeli­schen Klängen untermalte Inszenieru­ng (Musik: Friederike Bernhardt) die Ironie, fand aber

nur wieder Altbekannt­es wie Wiederholu­ngen, launische Einwürfe – und die Flucht in die Banalität.

Hübsch herausgepu­tzte Neuzeit-Typen (Kostüme: Aino Laberenz), vornehmlic­h natürlich Tasso und Staatssekr­etär Antonio, geraten sich am Hof des Herzogs von Ferrara in die Haare. Dichterisc­he Freiheit gegen rationales Denken? Von wegen: Die Diskussion artet zum Schreiduel­l und zu Gewalt aus, in dem Goethe untergeht, die Frage nach dem „Warum der Disput?“den Geist des Betrachter­s, der Betrachter­in erlahmt.

Auch das (zum Teil in der Pause flüchtende) Publikum kann wohl Goethe in „hehrem“Ton nicht mehr ertragen, das „erste Theater deutscher Sprache“begibt sich dennoch wieder einmal in die Niederunge­n der Sprechkult­ur: Ignaz Kirchner (Herzog) und Dorothee Hartinger (Leonore Sanvitale) zeigen noch Niveau, Andrea Wenzl (Leonore von Este) und Ole Lagerpusch (Antonio) bleiben sprachlich wie darsteller­isch eindimensi­onal. Fad!

 ??  ?? Schickimic­kis von Ferraras Hof: Dorothee Hartinger, Ignaz Kirchner, Andrea Wenzl und Philipp Hauß
Schickimic­kis von Ferraras Hof: Dorothee Hartinger, Ignaz Kirchner, Andrea Wenzl und Philipp Hauß
 ??  ?? Von nebenan: Ignaz Kirchner (li.), Andrea Wenzl & Philipp Hauß (u.).
Von nebenan: Ignaz Kirchner (li.), Andrea Wenzl & Philipp Hauß (u.).
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