Hirnstunde
Der Sportminister, der auch Verteidigungsminister ist, meldet einen Erfolg: Bald soll die tägliche Turnstunde an Schulen Wirklichkeit werden. Ich erkläre mich da für unzuständig. Die Magie des Schweißfußes und der Trillerpfeife hat sich mir nie erschlossen, weshalb mein Verhältnis zum Turnunterricht schon in der Volksschule frostig war. Für mich sind das Freizeitaktivitäten, und wenn sie flächendeckender Unterrichtsgegenstand werden, erwarte ich gerechterweise auch die Einführung der Wahlpflichtfächer „ Komasaufen“und „ Shitstorm“sowie der unverbindlichen Übung „ Dein Weg zum perfekten Nacktselfie“.
Mit Ungeduld hingegen erwarte ich eine Initiative des Kunstministers zur Einführung der täglichen Hirnstunde: eine Stunde täglich, in der man wieder Gedichte lernt, klassische Musik hört, Werke der bildenden Kunst entschlüsselt. Denn Kunst ist kein Luxus, sondern Menschenrecht, und ich unterstelle, dass es der erste Höhlenmaler war, der den Sprung vom Affen zum Menschen geschafft hat. Leider befördern uns die Lehrpläne gerade auf den Rückweg: Im Deutschunterricht trainiert man nicht mehr das Verständnis von Lessing und Handke, sondern das Verfassen von Leserbriefen; und statt „ Faust“musste meine Tochter kürzlich einen „ Standard“- Artikel nacherzählen ( was mir intellektuell etwas kurz gegriffen erscheint). Im Gegenzug zur Hirnstunde würde ich mich zu einer Anzahl täglicher Bauchaufschwünge mit meinen Töchtern verpflichten.