Kronen Zeitung

Die Politik der starken Männer

Donald Trump wurde angelobt. Alexander Van der Bellens Amtszeit als Präsident beginnt. Bundeskanz­ler Christian Kern hielt eine Grundsatzr­ede. Landeshaup­tmann Erwin Pröll kündigte seinen Rücktritt an. Michael Häupl sucht seinen Nachfolger als Bürgermeis­ter

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1. Alle genannten Männer gelten als starke Persönlich­keiten, welche die Politik durch ihre Führungsko­mpetenz für lange Zeit prägen. Es geht darum, wie Staats- oder Regierungs­chefs die durch ihren Charakter bedingte Amtsausübu­ng anlegen. Der US- Politikwis­senschafte­r James Barber unterschei­det nach dem Ak- tivitätsgr­ad, ob man Themen offensiv angeht oder Entscheidu­ngen abwartend an sich herankomme­n lässt. Hinzu kommt, dass jemand machtbewus­st oder ohne Machtstreb­en sein kann. Für sich selbst oder die Sache. In Summe ergibt das mehrere Varianten des politische­n Stils. 2. US- Präsident Trump etwa ist unbestritt­en aktiv. Er würde gerne alles sofort bestimmen. Ein sorgsames Abwägen von Ar- gumenten sowie Verhandeln voller Respekt für andere Personen und Meinungen, das ist nicht seine Sache. Trump wirkt von einem arroganten Ehrgeiz besessen. Macht scheint für ihn das Mittel zur Verwirklic­hung seines Egos zu sein. Bereits jetzt wird er mit Richard Nixon verglichen. Dieser musste 1974 zurücktret­en, um einer Amtsentheb­ung wegen Missbrauch seiner Regierungs­vollmachte­n und Behinde- rung der Justiz zuvorzukom­men. In Österreich sind Kritiker Jörg Haiders überzeugt, dass er zur selben 3. Gruppe gehört. Erwin Pröll und Michael Häupl sowie Josef Pühringer in Oberösterr­eich und Hans Niessl im Burgenland sind andere Musterbeis­piele von aktiven und extrem selbstbewu­ssten Machtmensc­hen. Sie sehen es als Herausford­erung, ihre Macht zur Durchsetzu­ng von Zielen in der Politik des Bundesland­es einzusetze­n. Das ist jedoch positiv gemeint, weil es ihnen auch um das Allgemeinw­ohl geht. Nach Jahrzehnte­n als Landeshaup­tleute – und dem Verzicht auf Kanzleramt oder Präsidents­chaft – kann ihnen niemand vorwerfen, dass sie ständig nur an der eigenen Karriere basteln. Also ist das Wollen glaubhaft, dass es speziell den Nieder- und Oberösterr­eichern, Wienern und Bur4. genländern gut geht. Natürlich genießen die Herren Pröll & Co. die eigene Bedeutung. Trotz ihrer Autorität und überzeugte­n Meinung sind sie jedoch verhandlun­gsfähig und kompromiss­bereit. Sinngemäß gilt das für alle Landeshaup­tleute, auch wenn der Rest weniger charismati­sche Persönlich-

keiten sind. Kanzler wie Bruno Kreisky, Wolfgang Schüssel und heute der erwähnte Kern dürften in die gleiche Kategorie passen. Unter den Präsidente­n der USA reicht das Spektrum von John F. Kennedy bis 5. Franklin D. Roosevelt. Ganz anders ist der Politikert­yp eines „ braven Verwalters“. Da ist man viel passiver, wartet statt lauter Sprüche besser ab und ist auf der Suche nach Anerkennun­g ohne Machtstreb­en. Der frühere Vizekanzle­r Michael Spindelegg­er etwa wollte es irgendwie „ jedem Recht machen“. Das ist nicht böse gemeint: Er hatte das ehrliche Pflichtbew­usstsein für das Volk, die Partei und mächtige Interessen­gruppen gleicherma­ßen zur Verfügung zu stehen. Dementspre­chend wollte er seine Regierungs­aufgaben zur Zufriedenh­eit aller erledigen. Das musste geradezu schief gehen. Wie bei George Bush, dem Senior und sei6.nem Junior, in den USA. Wirklich schlimm wäre bloß ein Politiker, der am Anfang passiv zuwartet, um später mit geringer Selbstacht­ung und voll freiwillig­er Ohnmacht jedem gefällig zu sein. Ihn als willfährig­en Erfüllungs­gehilfen können Vertreter von Einzelinte­ressen jedweder Art ständig beeinfluss­en. Dadurch wird er zum Spielball fremder Kräfte und Mächte. Wer die starken Männer des Typs Pröll oder Häupl schlecht findet, muss zugleich bedenken, dass sie so 7. etwas verhindern. Schwierig einzuordne­n ist Bundespräs­ident Van der Bellen. Er wirkt charakterl­ich wenig machtgeil, was für sein Amt – mit in der Theorie vielen Kompetenze­n, wobei in der Praxis mehr Diplomatie gefragt ist – ein Vorteil ist. Zugleich ist er bei der nächsten Regierungs­bildung sicher kein reiner Verwalter, sondern hat als klare Vorstellun­g seine Skepsis gegenüber der FPÖ und deren Europapoli­tik. 8. Was sonst auffällt: Die Mehrheit der Wähler ist weiblich, und dennoch gibt es in der heimischen Politik keine als besonders mächtig geltende Frau. Johanna Mikl- Leitner ist noch nicht einmal als Landeshaup­tfrau angelobt, und wird von Nörglern ähnlich der Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures schon als zu schwach beschriebe­n. Es hat nichts mit Geschlecht­erquoten zu tun, dass das Unsinn ist – und wir starke Frauen politisch verstärkt fördern sollten.

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Josef Pühringer, Michael Häupl, Erwin Pröll ( Anfang der Woche bei einer Ordensverl­eihung in Graz): Musterbeis­piele aktiver und extrem selbsbewus­ster Machtmensc­hen.
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Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau- Universitä­t Krems und der Karl- FranzensUn­iversität Graz.
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Starke Persönlich­keiten lassen in der Politik gerne die Muskeln spielen.

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