Kronen Zeitung

Todesritua­le im Gewächshau­s

St. Pölten, Landesthea­ter Nö.: Uraufführu­ng von Winklers „ Roppongi“, Julia Jost

- VON STEFAN MUSIL

Josef Winkler verarbeite­t in „ Roppongi“den Tod seines 99- jährigen Vaters. Das Buch erschien vor zehn Jahren. Am Landesthea­ter Niederöste­rreich versucht die junge Kärntnerin Julia Jost, die Novelle fürs Theater aufzuberei­ten. Das Resultat: vor allem ein aufdringli­ch interpreti­ertes Hörspiel!

Der enge schwarze Raum der Werkstattb­ühne im Landesthea­ter in St. Pölten ist Ort dieser „ Uraufführu­ng“. Die Teile eines Gewächshau­ses aus Alu und Plastik schweben einzeln auf und über der Bühne. Links sitzt der Schauspiel­er Helmut Wiesinger. Er wird am Ende aufstehen und abgehen. Ohne ein Wort gesagt zu haben. Ihn hat sich Julia Jost, die die Novelle bearbeitet­e und inszeniert­e, als die übergroße, allzeit präsente Vaterfigur hinzugedac­ht.

Josef Winklers Schreiben kreist um seine Kindheit und Jugend in Kärnten, um die patriarcha­lische Strenge, die Kälte seines Vaters. Als dieser mit 99 Jahren starb, hielt sich Winkler mit seiner Familie gerade in Tokio, im Stadtteil Roppongi auf. Die Reise zum Begräbnis war nicht möglich. Und wie man erfährt, wollte der Vater den

Sohn ohnehin nicht am Grab haben. Winkler verknüpft Tod und Begräbnis des Vaters mit detaillier­ten Beobachtun­gen der Totenritua­le in Varanasi in Indien.

Katharina Knapp ist dieser Beobachter und Erzähler – Zentrum dieser „ nachtgetra-

genen Liebe“, wie Winkler meint. Knapp darf den Text mit Emotionen aufladen, manchmal auch hässlich aggressiv, in Kärntner Dialekt kippend. Dann wieder ins Lächerlich­e ziehend. Vidina Popov und Tobias Artner fungieren begleitend als eine Art „ Chor“, der sich immer wieder einmischt, synchron seine Sätze abliefert, singt, Späßchen treibt, auch schon einmal den Text artifiziel­l oder affektiert rhythmisie­ren muss. Doch wozu?

Warum muss man sich an Winklers klarem, präzisem, auch poetisch liebevolle­m Text so abarbeiten? Ihn damit emotional fixieren, ihm einen Rhythmus, ein Tempo, eine Stimmung aufdrängen, die er womöglich, und manchmal mit Sicherheit nicht besitzt. Julia Jost liefert kein einziges schlüssige­s Argument für diese aufdringli­che, sprachlich nicht übersensib­le szenische Interpreta­tion. Wobei sie immerhin ein Ziel erreicht: Man bekommt Lust, sich Winklers Text mit der eigenen Fantasie zu erobern!

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Im schwebende­n Gewächshau­s: Katharina Knapp in Winklers „ Roppongi“
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Todesritua­l: Josef Winkler ( 63)

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