Todesrituale im Gewächshaus
St. Pölten, Landestheater Nö.: Uraufführung von Winklers „ Roppongi“, Julia Jost
Josef Winkler verarbeitet in „ Roppongi“den Tod seines 99- jährigen Vaters. Das Buch erschien vor zehn Jahren. Am Landestheater Niederösterreich versucht die junge Kärntnerin Julia Jost, die Novelle fürs Theater aufzubereiten. Das Resultat: vor allem ein aufdringlich interpretiertes Hörspiel!
Der enge schwarze Raum der Werkstattbühne im Landestheater in St. Pölten ist Ort dieser „ Uraufführung“. Die Teile eines Gewächshauses aus Alu und Plastik schweben einzeln auf und über der Bühne. Links sitzt der Schauspieler Helmut Wiesinger. Er wird am Ende aufstehen und abgehen. Ohne ein Wort gesagt zu haben. Ihn hat sich Julia Jost, die die Novelle bearbeitete und inszenierte, als die übergroße, allzeit präsente Vaterfigur hinzugedacht.
Josef Winklers Schreiben kreist um seine Kindheit und Jugend in Kärnten, um die patriarchalische Strenge, die Kälte seines Vaters. Als dieser mit 99 Jahren starb, hielt sich Winkler mit seiner Familie gerade in Tokio, im Stadtteil Roppongi auf. Die Reise zum Begräbnis war nicht möglich. Und wie man erfährt, wollte der Vater den
Sohn ohnehin nicht am Grab haben. Winkler verknüpft Tod und Begräbnis des Vaters mit detaillierten Beobachtungen der Totenrituale in Varanasi in Indien.
Katharina Knapp ist dieser Beobachter und Erzähler – Zentrum dieser „ nachtgetra-
genen Liebe“, wie Winkler meint. Knapp darf den Text mit Emotionen aufladen, manchmal auch hässlich aggressiv, in Kärntner Dialekt kippend. Dann wieder ins Lächerliche ziehend. Vidina Popov und Tobias Artner fungieren begleitend als eine Art „ Chor“, der sich immer wieder einmischt, synchron seine Sätze abliefert, singt, Späßchen treibt, auch schon einmal den Text artifiziell oder affektiert rhythmisieren muss. Doch wozu?
Warum muss man sich an Winklers klarem, präzisem, auch poetisch liebevollem Text so abarbeiten? Ihn damit emotional fixieren, ihm einen Rhythmus, ein Tempo, eine Stimmung aufdrängen, die er womöglich, und manchmal mit Sicherheit nicht besitzt. Julia Jost liefert kein einziges schlüssiges Argument für diese aufdringliche, sprachlich nicht übersensible szenische Interpretation. Wobei sie immerhin ein Ziel erreicht: Man bekommt Lust, sich Winklers Text mit der eigenen Fantasie zu erobern!