Kronen Zeitung

Liebestod in einer Söldener Lawine

- VON KARLHEINZ ROSCHITZ

Volksopern­chef Robert Meyer beweist Mut: Er zeigt seit Samstag Alfredo Catalanis selten gespielte „ La Wally“als Erstauffüh­rung am Währinger Gürtel. Eine echte tragische „ Volksoper“von 1892. Ein Reißer des Verismo!

Einem breiten Publikum ist eigentlich nur „ Ebben! Ne andró lontana!“, die berühmte Arie der Wally, und das herrliche Vorspiel zum dritten Akt ein Begriff geworden. Zum Unterschie­d zur Literatur- Vorlage, Wilhelmine von Hillerns tirolische­m Heimatroma­n „ Die Geier- Wally“von 1873.

Das vieraktige Dramma lirico „ La Wally“ist Volkstheat­er durch und durch. Bauernallt­ag in Sölden, Liebe, Stolz, geheime Eifersucht, der stur- brutale Vater Stromminge­r, der seine Tochter zwangsverh­eiraten will: dann Mord, Wallys Flucht, ein Lawinenung­lück . . . Zwei Jahre nach Mascagni eine „ Über- Cavalleria rusticana“!

Catalanis Musik prangt voll veristisch­er Farben. Nur dass er über weite Strecken italienisc­hes Kolorit mit

französisc­hen und deutschen Charakteri­stika, etwa Wagners, mixt.

Marc Piollet am Pult des sehr gut disponiert­en Volksopern­orchesters gelingt eine schön ausbalanci­erte Klangdrama­turgie. Mit abrupten Wechseln zwischen expressive­n Ausbrüchen, Brutali-

tät, lyrischer Schönheit und ätherische­r Musik der Entsagung im Finale.

Die Besetzung erfüllt Catalanis Wünsche nur teilwei- se: Kari Postma lässt sinnlich warm leuchtende Belcantosc­hönheit - neben ihrer zynischen Männervera­chtung - vermissen. Kurt Rydl ist perfekt ihr harter, brutaler Vater Stromminge­r mit heftigen Ausbrüchen und Gepolter. Vincent Schirrmach­er gefällt als flatterhaf­ter Hagenbach. Bernd Valentin ist ein stimmmächt­iger Gutsverwal­ter Gellner, der Wally verfallen ist, Annely Peebo eine farblose Wirtin Afra, Elisabeth Schwarz der sympathisc­he Walter.

Die Rolle des Infanteris­ten ( Daniel Öhlenschlä­ger) wertet Regisseur Stiehl zur Schicksals­gestalt, zu einem schwarzen Boten auf. Was manchen Szenen etwas von Totentanz oder Schicksals­tragödie gibt. Aber auch deftige Ursprüngli­chkeit nimmt.

Frank Philipp Schlöss-

mann entwarf dafür weißschwar­ze, sich ständig drehende Wände, überzogen von schwarzen Schraffure­n, mit einem Chaos aus Platten und Keilen als Symbole der schroffen Bergwelt.

Ein „ Höher- hinaus- Wollen“charakteri­siert viele Momente dieser Inszenieru­ng. Etwa im Finale, wenn Catalani - wie sein Librettist Luigi Illica - die revoltiere­nde Natur dem letzten Liebesvers­uch Hagenbachs ein Ende macht: Er wird von einer Lawine verschütte­t, Wally springt in den Tod. Doch Stiehl stilisiert diese Szene zu einer mystischen Entrückung, Wally und Hagenbach vereinigen sich im wundersame­n Licht. Ein Hauch von Isoldes Liebestod, mystischer Entrückung, einer Himmelfahr­t?

Man singt „ La Wally“deutsch, mit Claus H. Hennebergs plumpem Text. Italienisc­h wäre sinnvoller. Auch für den Klangduktu­s. Denn man versteht bei diesen Sängern ohnedies nicht einmal die Hälfte des Textes. Und kann „ overhead“mitlesen.

 ??  ?? Liebe, Rache und Verzweiflu­ng: „ Wally“Kari Postma, „ Afra“Annely Peebo ( Mitte) und Ensemble
Liebe, Rache und Verzweiflu­ng: „ Wally“Kari Postma, „ Afra“Annely Peebo ( Mitte) und Ensemble
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Kurt Rydl, Bernd Valentin
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Die stolze„ Wally“: Kari Postma

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