Eine Schnitzeljagd der Wörter
Volksbühne Berlin in der Burg: Konrad Bayers „ der die mann“
Sie tanzen in bunt leuchtenden Latexgewändern, posieren auf einer rotierenden Treppenablage, während die Bühne bald zyklamrot, bald königsblau, bald grau leuchtet. Und sie benützen einen riesigen Schalltrichter als Sprachrohr. Die Volksbühne Berlin am Rosa Luxemburg- Platz zeigt in der Burg ihre Konrad- Bayer- Collage.
Bayer war ein Freund von H. C. Artmann, Friedrich Achleitner oder Gerhard Rühm, der zu dieser „ Soirée“der Volksbühne Berlin in der Burg kam: Der Wiener Avantgardedichter Konrad Bayer ( 1932 bis 1964), nach 1945 für Wiens literarische Cercles ein Agent provocateur, wurde da in einer Hundert- Minuten- Collage von Schauspielern der Volksbühne szenisch präsentiert.
Mochten diese Texte einst das Publikum aufscheuchen, so amüsieren sie heute nur noch. Wie so viele dadaistische und surreale Texte eines Hugo Ball oder Tristan Tzara sind sie amüsante Do- kumente eines Aufbruchs und einer rasenden Sprachverliebtheit: Fragmente – auch eines Weltbildes –, kunstvoll zusammengebas-
VON KARLHEINZ ROSCHITZ
telte Alltagssprachrelikte, Lautkombinationen und Wortcluster, die gerade in der Aufführung der sieben Berliner Schauspieler funkeln, Pirouetten des Witzes drehen, mit dem Grotesken spielen. Denn diese Darsteller sind allesamt fulminante Sprachartisten und - akrobaten und funktionieren bei diesen sprachlichen Strickund Häkelmustern wie Marionetten. Für viel Drive und theatralische Klangkulisse sorgen vier Musiker unter Ingo Günthers Leitung.
Dem Publikum gefiel’s, wie die sieben – auf einen Streich – und Regisseur Herbert Fritsch aus den Sketches eine Schnitzeljagd der Wörter machen. Wie sie absurde Nummern wie „ Die Boxer“, „ Karl“oder „ Der Mann nahm Emma“zu einer Revue voll Witz, hohlem Pathos, Hysterie und Exaltiertheit verquirlen.
Bayers Wortspielereien werden da zu einem Sprachbilderballett, wobei die Wörter aus den Sprachbanden gleichsam entfesselt werden.
Was man dabei kaum entdecken kann, ist allerdings die „ tragische Seite“Konrad Bayers, der mit Romanen wie „ der sechste sinn“oder „ der kopf des vitus bering“Literaturgeschichte schrieb – und 32- jährig Selbstmord beging.