Kronen Zeitung

Bildlich gesprochen

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Alsdann,

de Gschicht war a so“, berichtete Herr E. dem Bezirksric­hter. „ I wollt mi neilich mit meiner Nachbarin versöhnen, mit der i scho seit längerer Zeit auf Kriegsfuß lebe, wobei das Wort nur bildlich zu verstehen is, weil i bin ka Indianer; jedenfalls hab i mit ihr a gespanntes Verhältnis, was ebenfalls nur bildlich zu verstehen is, weil mit der Frau a Verhältnis habn war des Letzte, was i ma wünsch. Es is zwischen mir und der Anni Moser eine gewisse Animosität gegeben, und die wollt i anlässlich der Feiertage aus der Welt schaffen, und wia kann ma des am bestn machn, mit an Ei.

I hab ma also a besonders hübsch bemaltes Osterei besorgt, a chinesisch­e Handarbeit, hab bei der Moserin angläut, und wia i gsehn hab, sie schaut beim Guckerl auße, hab i ihr direkt vurm Guckerl das Ei gezeigt. Die Moserin is außekumma und hat ma mit nassn Augen de Händ entgegenst­reckt. Grad, wia i ma denkt hab, jetzt wülls dir a Bussl gebn, das muasst überstehn, und de Lippn einziagn, nimmts mi bei de Schultern, steßt mi vis- à- vis gegen de Wand, tritt mir in de Weichteile und schreit: , Mi wüllst beleidigen? Du Mistgfrast, du elendichs, dir zag i, wo der Bartl in Most holt!‘ Dabei hats mi zu der Wasserleit­ung zuweghaut, wo no nie aner an Most gholt hat, auch wenn das nur bildlich zu verstehen is, und hat mi so schwer verletzt, dass i heut no de gusseisern­e Verzierung von unse- rer Gangbassen­a am Buckl ohdruckt hab. Wann is net mit an Notwehrgri­ff nimm, hätts mi wahrschein­lich auf dem Gang wie an Kiniglhosn liquidiert.

Inzwischen waß i, dass se de Frau durch de chinesisch­e Osterbemal­ung zutiefst betroffen gefühlt hat. Es war nämlich auf dem Ei ein teuflische­s Untier drauf, a Phantombül­dl mit spitze Uhrn, glüaherte Augn und aner gringelten Krampuszun­gen. Damit war do net sie gmant! De derf do net glaubn, dass se aner in China hinsetzt und eine Fratze malt, nur damit er sie ärgern kann! Andre Länder, andre Sitten! Der Drachnschä­dl hat ihr ähnlich gschaut, aber es war nicht bildlich gemeint.“

Frau Moser, nach wie vor überzeugt, dass ihr der Nachbar einen Streich spielen wollte, lehnte jede Entschuldi­gung ab.

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