Kronen Zeitung

Nur halb entfesselt

Akademieth­eater: Neuer Pollesch

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Der deutsche Dramatiker René Pollesch, der seine Texte stets selbst in Szene setzt, arbeitet auf höchstem Risiko: Seine Produktion­en entwickeln sich im Glücksfall aus der Improvisat­ion zur Perfektion. Bringt er sie vom Boden, ist das Resultat genial, widrigenfa­lls mühsam. Die Akademieth­eater- Produktion „ Carol Reed“rangiert eher bei Kategorie 2.

Mit dem großen britischen Regisseur Sir Carol Reed, der den österreich­ischesten aller Filme schuf, hat das Ganze lediglich in minimalen Zitaten zu tun: „ Der dritte Mann“zeigt sich ganz zu Beginn in der Gestalt der Suchschein­werfer, die nach dem Medikament­endealer Harry Lime fahnden, und als kurzes Textzitat. Eher geht es in Polleschs Werk um Alfred Hitchcock und den von ihm kreierten MacGuffin – eine Person oder ein Requisit, die im Film von untergeord­neter Präsenz sind, um die sich aber alles dreht. Vor allem aber geht es um Kunst: um das Entstehen und Erblühen von Theater und Film und die damit verbundene­n Qualen.

Zwei herrliche Schauspiel­er begeben sich auf die Suche nach der Anarchie: Martin Wuttke und Birgit Minichmayr lassen sich sehenswert in die Branchenun­tiefen sinken, sie als Szene- Trampel, er als schwätzend­er Selbstdars­teller. Manche Passagen sind brillant, auch gelingen mehrere Beispiele präzisen Slapsticks. Aber um die Höhe großen Nonsens zu erreichen, ist das Ganze zu geschwätzi­g und, bei aller Virtuositä­t, zu verkrampft.

Nicht zu beneiden: Tino Hillebrand und Irina Sullaver, die zwischen den entfesselt­en Protagonis­ten und den noch entfesselt­eren Scheinwerf­erbatterie­n die Statisten abgeben müssen.

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Irina Sullaver, Birgit Minichmayr und Martin Wuttke

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