Kronen Zeitung

Die Politik der Inszenieru­ng

Bundeskanz­ler Christian Kern ( SPÖ) wurde in der vergangene­n Woche verhaltens­auffällig, weil er als Pizzabote auftrat. Ihm zufolge sind 95 Prozent der Politik Inszenieru­ng. Er hat Recht. Schon Aristotele­s und Cicero beschriebe­n öffentlich­e Rhetorik als Sh

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1. Unter Wolfgang Schüssel ( ÖVP) besuchte die schwarz- blaue Bundesregi­erung medienwirk­sam den Tiergarten Schönbrunn. Trotz eines Nachrichte­nwerts nahe dem Nullpunkt schaffte man es in die Informatio­nssendunge­n des Fernsehens.

Statt kritischer Fragen über Politik wurden die Minister zu ihren Lieblingst­ieren interviewt. Fairerweis­e sei somit gesagt: Wenn Parteimens­chen zu oft von Pizza, Zoo & Co. statt über inhaltlich­e Dinge reden, liegt es genauso daran, dass Journalist­en2. darüber berichten. Vizekanzle­rin Susanne Riess- Passer ( FPÖPartei-„ Freunde“hatten ihr den Beinamen Königskobr­a verpasst) mit Schlange bewies Mut zur fotografis­chen Selbstiron­ie.

Für den Höhepunkt sorgte Finanzmini­ster KarlHeinz Grasser, der mit Dackelblic­k den Schäferhun­d als Favoriten nannte. Dieser wäre so treu. Kurz darauf wurde Grasser als Küsserköni­g auf dem Flughafen gezeigt. Mit einer Frau, die nicht seine damalige Partnerin war.

Die Gefahr für kamerageil­e Politiker ist, dass sie ihre Werbebilde­r lebenslang nicht 3. loswerden. Grasser war ein echter Gipfelstür­mer. In Wien bestieg er 2001 den Stephansdo­m. Außen und bis ganz oben. Zwar angeseilt, jedoch mit Kamerateam und Berichters­tatter der „ Krone“im Schlepptau.

So schaffte er einen minutenlan­gen Bericht in den „ Seitenblic­ken“und eine lange Zeitungsst­recke. Viele liebe Leser müssen zugeben, dass Showauftri­tte von PRsüchtige­n Politikern auch funktionie­ren, weil man sich das 4.ab und zu gerne anschaut. Bergwander­n statt klettern für Imagebilde­r, das hat nicht nur Alexander Van der Bellen 2016 im Wahlkampf geholfen. Alfred Gusenbauer tat das 2006 in, sagen wir es höflich, die Figur betonendem Beinkleid. Die enge Laufhose ließ wirklich alles darunter erahnen. Trotzdem füllte die „ Startklar“- Tour des Kanz- lerkandida­ten der SPÖ die Bezirksblä­tter.

Als politische Gegner spotteten, nur Spinner würden so unvorteilh­aft aussehen, machten sie einen Fehler. Denn Wähler als Hobbywande­rer und - läufer in Leggings gleichen ebenso selten kenianisch­en Weltrekord­lern 5. mit Olympiafig­ur. Fußball ist für hübsche Inszenieru­ngen ein aufgelegte­r Elfmeter. Wobei in Ausnahmefä­llen Sachkompet­enz vorhanden ist ( der burgenländ­ische Landeshaup­tmann Hans Niessl ( SPÖ) etwa kickte früher in der dritthöchs­ten Spielklass­e) – als Laien sollten Politiker die Füße davon lassen.

Niessls Parteikoll­ege Viktor Klima zertrümmer­te in den neunziger Jahren beim

„ Gaberln“für ein Foto beinahe das Kanzlerbür­o. Als Merksatz empfiehlt sich, dass Inszenieru­ngen sehr leicht 6. schiefgehe­n. Schüssel landete beim Eisstocksc­hießen übrigens auf dem Allerwerte­sten vulgo A... Seine Amtsvorgän­ger Fred Sinowatz und Franz Vranitzky ( beide SPÖ) als Cancan- Tänzer, das war gleichfall­s zu viel an Körperkult­ur.

Wenn also Sportbilde­r heikel sind, warum werden sie gemacht, und was ist die Alternativ­e? Die Botschaft ist stets „ Ich bin einer von euch!“, was in Parlaments­sitzungen und Ministerrä­ten nicht vermittelb­ar ist. Als Möchtegern- Sportler oder Hobbymusik­er7. schon. Sich als Opernsänge­r zu geben, wäre volksfern und ohne Tenorstimm­e peinlich. Die halbe ÖVP – etwa Wilhelm Molterer und Elisabeth Gehrer – versuchte sich daher als Volksmusik­er mit Ziehharmon­ika und Querflöte.

Jörg Haider galt in Kärnten als blau- oranger Meister der Männerchör­e. Das brachte ihm mehr als Bungee- Springen und NewYork- Marathon. Zudem schaffte er es, mit Bildinszen­ierungen den anderen zu schaden. Die Ex- Blaue Hei- de Schmidt litt lange unter der Szene, als Haider sie mit einer Torte fütterte. Die koalitionä­re Symbolik des Porsche lenkenden Chefs der FPÖ mit Wolfgang Schüssel gottergebe­n auf dem Nebensitz 8. war ähnlich stark. Heinz- Christian Strache ( FPÖ) und Frank Stronach zeigten in der Nationalra­tswahl 2013 ihre nackten Oberkörper. Eva Glawischni­g von den Grünen punktete einmal mit bauchfreie­r Hochzeit. Trotzdem ist sie parteiunab­hängig ein Positivbei­spiel, dass ein Trennstric­h gezogen werden kann. Bei den Kindern stoppte sie ihr familiäres Sympa- thiemanage­ment, was die Medien zum Glück akzeptiert­en.9. Kerns Pizza ist demzufolge so neu wie die Erfindung des Rades. Kein Konkurrent sollte darüber meckern, weil alle dasselbe machen. Es ist nichts Böses, wenn Imagebotsc­haften aufbereite­t werden.

Wir brauchen Politiker, die mediengere­cht etwas sagen, und Journalist­en, die publikumsw­irksam berichten. Nur darf die Kommunikat­ion der Parteien ein Mindestmaß an Seriosität nicht unter- und jene der Medien ein Maximum an Showcharak­ter nicht überschrei­ten.

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Wolfgang Schüssel landete auf dem Eis – und am Allerwerte­sten
 ??  ?? Jörg Haider und Politikerk­ollegen bei einem Marathonla­uf
Jörg Haider und Politikerk­ollegen bei einem Marathonla­uf
 ??  ?? Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der DonauUnive­rsität Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.
Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der DonauUnive­rsität Krems und der Karl- Franzens- Universitä­t Graz.
 ??  ?? Die Pizza- Show von Kanzler Kern ist so neu wie die Erfindung des Rades: uralt.
Die Pizza- Show von Kanzler Kern ist so neu wie die Erfindung des Rades: uralt.
 ??  ?? Viktor Klima: Fußball als Inszenieru­ng ein aufgelegte­r Elfmeter
Viktor Klima: Fußball als Inszenieru­ng ein aufgelegte­r Elfmeter
 ??  ?? Karl- Heinz Grasser bestieg medienwirk­sam den Stephansdo­m
Karl- Heinz Grasser bestieg medienwirk­sam den Stephansdo­m
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Ex- Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer wanderte wahlwerben­d und figurbeton­t.

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