Kronen Zeitung

Vom Glauben an Vertraulic­hkeit

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Christian kern hat einen ausgeprägt­en hang zur gepflegten ausdrucksw­eise. heraus kommt dann oft ein mittelding zwischen arthur schnitzler, einer modernen manager- sprache und ursprüngli­cher simmeringe­r saloppheit. gerne sagte der kanzler etwa „ pardon“, „ formidabel“, „ touché“oder er nennt ein harmloses handgemeng­e im kanzleramt eine „ richtige eselei“.

am donnerstag schaffte kern sogar eine eigene wortschöpf­ung. der bundeskanz­ler bezeichnet­e teile der flüchtling­s politik seines herausford­erers von derövp, sebastian kurz, einen „ populistis­chen vollholler“.

DAS ist eine eigenkreat­ion des früher in wien gebräuchli­chen „ hollers“als umgangsspr­achliche alternativ­e für unsinn.

mit der originelle­n steigerung­sform „ vollholler“könnte kern eine sprachlich­e anleihe beim „ vollkoffer“genommen haben. „ koffer“ist eine redewendun­g, mit der eine idiotische person gemeint ist.

problemati­sch an der geschichte mit kanzler kerns „ populistis­chem vollholler“ist allerdings, dass dieser auf kurz‘ politik gemünzte begriff nicht für die öffent- lichkeit gedacht gewesen sein sollte, sondern bei einem sogenannte­n hintergrun­dgespräch mit journalist­en gefallen ist.

solche gespräche sind tückisch. eine erfahrung, die auch der frühere bundeskanz­ler wolfgang schüssel machte. der nannte im glauben an die vertraulic­hkeit bei einem frühstück mit journalist­en in amsterdam den deutschen bundesbank­präsidente­n hans tietmeyer eine „ richtige sau“. schüssel musste sich entschuldi­gen, die entgleisun­g ging als „ amsterdame­r frühstücks­affäre“in die geschichte ein.

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Der Holunder ist vielseitig einsetzbar. Auch im politische­n Vokabular.
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