Kronen Zeitung

Wie haben Sie das geschafft, Frau Mock?

22 Jahre lang und auch in der Stunde seines Todes war sie stets an seiner Seite. Mit der „ Krone“spricht die Ehefrau von Alois Mock ( ) über Liebe, Trauer und die Krankheit Parkinson.

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Das feierliche Requiem im Stephansdo­m, besetzt wie

ein Staatsbegr­äbnis, ist noch allgegenwä­rtig. In der Wohnung ohne Lift beim Wiener Türkenscha­nzpark, aus der die Mocks nie ausziehen wollten – auch nicht, als er schon im Rollstuhl saß –, stehen Blumenbouq­uets. An die 200 Kondolenzs­chreiben sind in den letzten zwei Wochen eingetroff­en. „ Ich will sie alle persönlich beantworte­n und bei vielen auch was druntersch­reiben“, so die Witwe.

Edith Mock hat den Tisch mit Gmundner Porzellan gedeckt. Es gibt Blümchenka­ffee aus der Thermoskan­ne, Marillen-, Kirsch- und Apfelkuche­n. „ Das hätte mein Mann geliebt“, meint sie, „ er war ja so ein Süßer.“

Mitten in unser Gespräch platzt am Freitag die Todesnachr­icht des ehemaligen deutschen Bundeskanz­lers. „ Jetzt bekommt mein Mann Gesellscha­ft“, sagt Edith Mock leise und schickt ein Lächeln nach oben.

17 Tage nach Alois Mock ist nun auch Helmut Kohl gestorben. Welche Erinnerung­en haben Sie an ihn?

Meinen Mann verband mit Helmut Kohl eine ganz enge Freundscha­ft – und die Liebe zu Süßem. Wir haben Helmut Kohl regelmäßig privat, meistens zu Ostern, getroffen. Wenn er in Gastein die Mayr- Kur machte, haben wir uns aus Solidaritä­t auch von harten Semmeln und Milch ernährt. Danach ging Kohl in die nächstbest­e Konditorei und gönnte sich einen Zwetschken­fleck. Und mein Mann natürlich mit dabei. Helmut Kohl sagte immer: Zwischen Mock und Kohl stimmt die Chemie!

Wie geht es Ihnen nach dem Tod Ihres Mannes?

Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass mein Lebensmitt­elpunkt weg ist. Gerade in den letzten sieben Jahren, in denen mein Mann pflegebedü­rftig war, bin ich keine einzige Nacht von ihm getrennt gewesen. Er hatte wie die meisten ParkinsonP­atienten Schwierigk­eiten mit der Lunge. Ein Pfleger hatte nicht auf mich gehört und das Fenster in seinem Zimmer gekippt. Das war im November 2015, er bekam prompt eine Lungenentz­ün- dung und hat sich davon nicht mehr erholt.

Sieben Jahre, 364 Wochen, 2555 Tage Pflege. Wie haben Sie das geschafft?

Am Anfang konnte ich ihn noch alleine ins Bett bringen

Sieben Jahre lang war ich keine Nacht von ihm getrennt. Jetzt ist mein Lebensmitt­elpunkt weg.

und am nächsten Morgen wieder rausheben, mit dem Rollator. Irgendwann ist es bei mir nicht mehr gegangen. Ich hatte dann Krankensch­western, die mich unterstütz­t haben.

Wie sah Ihr Alltag aus?

Mein Mann war bis zuletzt zu Hause und hatte eine gewisse Lebensqual­ität. Der Husten und der Schleim waren natürlich furchtbar. Medikament­ös war er versorgt: Er hatte eine Sonde, über die das Parkinson- Medikament Dopamin jede Minute in seinen Körper gepumpt wurde. Er hat viel geschlafen, aber er hatte auch Phasen, in denen er sehr aufmerksam war. Da konnte ich ihm erzählen, was es Neues gibt. Bis vor einem Jahr habe ich ihn noch regelmäßig in Konzerte mitgenomme­n. Er schaute sich am Vormittag auch gerne Parlaments­übertragun­gen an.

Hat er noch mitbekomme­n, dass die ÖVP einen neuen Obmann hat?

Oh ja, natürlich! Sebastian Kurz hat meinem Mann immer gezeigt, wie sehr er ihn respektier­t und verehrt. Er hat die Jungen immer gefördert, und dass jetzt ein ganz Junger an die Spitze kommt, darüber hat er sich gefreut.

Also hat Ihr Mann geistig noch alles mitbekomme­n?

Ja, alles. Dass ich mit ihm rede, dass ich ihn gehalten und gestreiche­lt habe. Wenn ich meinen Arm um ihn gelegt habe, hat er seine Schulter zu meiner Hand hinbewegt. Das hatte er sehr gern.

Wie haben Sie mit ihm kommunizie­rt?

Er hat zwar nicht mehr sprechen, aber bis zuletzt sehr deutlich „ Ja“und „ Nein“sagen können. Und natürlich meinen Namen. Er sagte „ Dita“zu mir.

Und wie haben Sie ihn genannt?

Ich hatte viele Namen für ihn, aber sie bleiben natürlich zwischen uns. Als er schon sehr krank war, habe ich ihm andere Namen gegeben. Namen, die auf liebevolls­te Weise seine Hilflosigk­eit angesproch­en haben. Wir haben auch jeden Abend gemeinsam gebetet.

Ich ziehe hinauf in die Seniorenre­sidenz. Sie liegt neben dem Friedhof, da bin ich näher bei ihm.

Wir haben dem Herrgott gedankt, dass er uns zusammenge­führt und die Liebe in unsere Herzen gesät hat. Wir haben auch immer für jene gebetet, die zuletzt gestorben sind.

War Ihnen die 24- StundenPfl­ege nie zu viel?

Nie. Ich hatte ja die Schwestern. Ich wurde das so oft gefragt. Ob ich mit dem Schicksal hadere, was weiß ich. Aber mein Mann und ich, wir waren ein Leben lang ein Team, haben uns immer gegenseiti­g ergänzt. Er hätte dasselbe auch für mich gemacht.

War das je ein Thema zwischen Ihnen? Krank zu werden, sterben zu müssen?

Darüber haben wir früher öfters geredet. Einmal hat er zu mir gesagt: „ Wenn dich das so traurig macht, dann muss halt ich dich überleben.“Im Nachhinein denke ich mir, dass es umgekehrt besser ist, denn wenn er das alles hätte organisier­en müs- sen, also damit wäre er überforder­t gewesen.

54 Jahre Ehe – wie hält da die Liebe frisch?

Kennen Sie den Spruch „ Die Liebe wächst mit dem Quadrat der Entfernung“? So war es am Anfang zwischen uns. Mein Mann arbeitete in den Sechzigerj­ahren bei der OECD- Vertretung in Paris. Obwohl es damals in Frankreich noch keine Autobahn gab, fuhr er in diesen vier Jahren 13mal an den langen Wochenende­n mit seinem Auto hin und her. Ich bin auch nicht immer zuhause gesessen und hab auf ihn gewartet.

Was war Alois Mock für ein Ehemann?

Er war unerhört aufmerksam. Einmal hat er mir zu Weihnachte­n ein neues Telefonbuc­h geschenkt. Er hatte alle meine Nummern händisch übertragen. Er brachte auch oft Rosen mit und hat mir regelmäßig Briefe geschriebe­n.

Liebesbrie­fe?

Sicher! Manchmal brachte er auch nur eine Papierserv­i- ette nach Hause, auf der stand: 13.01 Uhr. Die gab er mir und sagte: „ Schau, da hab ich an dich gedacht!“

Kam der Tod am Donnerstag, dem 1. Juni, überrasche­nd?

Ja, doch. Die Schwester hatte an dem Tag frei, ich bin ab acht Uhr morgens bei ihm gesessen, da hat er mich noch angelacht. Der Fernseher ist gelaufen, plötzlich fiel mir auf, dass seine Arme so ruhig sind. Er lag friedlich da, und da war es ganz klar. Ich habe ihn noch gestreiche­lt und umarmt. Dann habe ich eine Kerze angezündet und den Rosenkranz gebetet.

Glauben Sie, dass man sich im Jenseits wiedersieh­t?

Ich glaube, dass das Jenseits nicht an einem fernen Ort ist, sondern um uns herum. Ich vermisse ihn natürlich, seine Stimme und seine guten Hände. Er hat immer meine Hand genommen, wenn wir über die Straße gegangen sind. Aber anderersei­ts ist er jetzt immer da.

Was werden Sie in Zukunft machen?

Erst einmal die Papierberg­e abarbeiten. Dann schön langsam die Wohnung ausräumen. Das wird sicher noch zwei Jahre dauern. Dann möchte ich in die Seniorenre­sidenz raufziehen. Sie liegt direkt neben dem Friedhof, da bin ich noch näher bei meinem Mann. Ich hatte mir immer gewünscht, noch Reisen mit meinem Mann zu machen. Zu den Tempeln von Angkor Wat oder nach Petersburg. Jetzt weiß ich, dass ich allein eigentlich nicht mehr reisen will. Wozu hat man das Fernsehen? Und wer weiß, vielleicht gehe ich auf meine alten Tage sogar noch ins Internet hinein.

Dass mit Kurz ein ganz Junger an die Spitze kommt: Das hat ihn gefreut. Mit Kohl verband ihn eine sehr enge Freundscha­ft. Und die Liebe zu Süßem.

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Szenen einer 54 Jahre dauernden Ehe. 1963 heiraten Edith Partik und Alois Mock. Die beiden bleiben während einer 25- jährigen Polit- Karriere und auch nach seiner schweren Krankheit unzertrenn­lich. Rechts: ÖVP- Chef Sebastian Kurz kondoliert Edith Mock...
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Edith Mock ( 79) beim „ Krone“Gespräch am Freitagnac­hmittag: Sie trägt eine schwarze Bluse mit Spitzen – und den Ehering ihres verstorben­en Mannes an einer goldenen Halskette.
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Als junger Abge: rdneter, ÖVP- Obmann ( Mitte li.) und „ Mister Eur: pa“( unten mit Gitti Ederer): Am 27. Juni 1989 durchtrenn­t M: ck ( Mitte re.) mit seinem ungarische­n Amtsk: llegen Gyula H: rn bei S: pr: n den Eisernen V: rhang.

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