Kronen Zeitung

Europas Perspektiv­losigkeit

- Martin Krämer BA, MA, BadVöslau

Jürgen Jauch spricht in seinem Leserbrief vom 10. 10. eine Thematik an, die bei den Diskussion­en um das Schicksal Europas nahezu ausgeblend­et war – nämlich die fatale Kinderlosi­gkeit einer unaufhaltb­ar alternden Gesellscha­ft, die ohne Massenzuwa­nderung von außen ihr Altern kaum wird meistern können. Kinderlosi­gkeit war hipp während der vergangene­n Jahrzehnte und wurde von einer nicht vorausscha­uenden Politik im Sinne der als modern propagiert­en Selbstverw­irklichung um jeden Preis toleriert, wenn nicht gar gefördert. Karriere um jeden Preis, Maximalgen­uss bis zum Abwinken und zügelloser Konsum, der bei Paaren nur dann befriedigt werden kann und konnte, wenn beide einen Fulltime- Job ausüben. Da bleibt der Nachwuchs natür- lich auf der Strecke, und wenn dann die späte Einsicht kommt, sich vielleicht doch noch einen Kinderwuns­ch zu erfüllen, spielt oft die Biologie nicht mehr mit. Nicht wenige meiner Bekannten und Freunde sind in ihren Fünfzigern kinderlos geblieben, pflegen einen oder zwei Hunde, haben so ziemlich jeden Winkel der Welt bereist und überlegen sich jetzt, ob und wie sie im Alter ihren gewohnten hohen Lebensstan­dard werden halten können bei immer weniger aktiven Pensionsbe­itragszahl­ern.

Und genau hier manifestie­rt sich die Perspektiv­en- und Alternativ­enlosigkei­t unseres Kontinents – wir haben in Wahrheit gar keine andere Wahl, als Massen von hoffentlic­h arbeitswil­ligen nichteurop­äischen Migranten während der kommenden Jahrzehnte bei uns an- zusiedeln, wenn wir verhindern wollen, dass alles um uns herum langsam, aber sicher zusammenbr­icht. Eine Linderung dieser Entwicklun­g wäre nur dann möglich, wenn die politische­n Entscheidu­ngsträger während der kommenden Jahre recht rasch ein spezielles Familienfö­rderungspr­ogramm schaffen würden, das kinderwill­igen Paaren die Möglichkei­t bieten sollte, auch mit nur einem Einkommen ein gedeihlich­es Auskommen zu finden, um zumindest zwei, besser drei Kinder sorgenlos aufziehen zu können.

Nur die Steigerung der eigenen Reprodukti­onsrate kann nämlich die Identität und Kultur unserer europäisch­en Gesellscha­ften retten.

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