Kronen Zeitung

KP- Regime in Prag hinter dem Anschlag bei Schönau

Archive sagen aus: Überfall des arabischen Kommandos hatte Hilfe des tschechosl­owakischen Geheimdien­stes

- Jan Krupka

Am 28. September 1973 verlässt der Zug Nr. 2590 Pressburg ( Bratislava) in Richtung Wien. Bestandtei­l der Zuggarnitu­r ist ein Schlafwage­n aus Moskau, in dem sowjetisch­e Juden reisen, die eine Genehmigun­g zur Auswanderu­ng nach Israel hatten. Es handelte sich um ganze Familien, einschließ­lich der ältesten Familienmi­tglieder, die nach Israel fuhren, um dort zu sterben.

Nach einigen Minuten hält der Zug in Devínské Nové Vsi, der letzten Station vor dem „ eisernen Vorhang“. Hier erfolgte die übliche sehr strenge Pass- und Zollkontro­lle unter militärisc­her Aufsicht.

Täter waren ab Pressburg im Zug ihrer Opfer

Nach gründliche­r Untersuchu­ng, bei der nichts Verdächtig­es festgestel­lt wurde, überquert der Zug die March und hält in der ersten Eisenbahns­tation Marchegg. Als Erste kamen österreich­ische Zöllner in den Zug.

Und plötzlich hörte man den österreich­ischen Zöllner Weleba schreien. Aus dem sowjetisch­en Waggon wurde ein Kalaschnik­ow- Lauf herausgesc­hoben. Nach zwanzig Minuten verließen den Zug zwei arabisch aussehende Männer, bewaffnet mit Maschineng­ewehren, Granaten und Pistolen.

Jüdische Mutter mit Kind mit dem Tod bedroht

Sie führten fünf russische Juden als Geiseln mit sich, unter ihnen auch eine Frau mit einem vierjährig­en Kind im Arm, ein Araber hielt ihr den Lauf an die Schläfe. Das Kommando verschanzt­e sich mit den Geiseln in einem Eisenbahnb­üro, aus dem sie als Warnung immer wieder Schüsse abfeuerten.

Nach Marchegg kamen Angehörige der Sicherheit­skräfte, und es begannen dreizehn Stunden dauernde Verhandlun­gen, die als „ Schönauer Ultimatum“in die Geschichte eingingen. Der Hintergrun­d war bis vor kurzem noch unklar. Nach den neu entdeckten Archivdoku­menten spielte dabei der tschechosl­owakische Geheimdien­st eine wesentlich­e Rolle.

Die tschechosl­owakische Seite wusste im Voraus von der Aktion. In Prag trafen am 31. August 1973 auf dem Luftweg die Terroriste­n mit libanesisc­hen Pässen auf die Namen Mustafa Akil Soueidan und Cheikh Khaldi ein.

Zusammen mit tschecho- slowakisch­en Agenten reisten sie nach Preßburg, wo sie im Hotel Carlton die Zeit verbrachte­n. Danach fuhren sie auf mehrere Tage nach Ostdeutsch­land. Hier trafen sie sich mit Mitglieder­n der örtlichen palästinen­sischen Zellen, die ihnen Informatio­nen über die Vorberei- tung des eigentlich­en Angriffs übergaben.

Am 8. September, nach der Rückkehr nach Pressburg, versuchte die tschechosl­owakische Seite, um sich formal zu decken, die Terroriste­n als unerwünsch­te Personen nach Österreich auszuweise­n. Die Österreich­er lehnten das aber ab, denn sie ahnten schon zu der Zeit, dass vonseiten der Palästinen­ser Aktivitäte­n gegen die Juden aus der Sowjetunio­n geplant werden.

Über die Aktion selbst wusste die tschechosl­owakische Seite ein halbes Jahr vorher Bescheid, wie aus den Dokumenten hervorgeht. Die Waffen brachte der Diplomat eines arabischen Staates in den Zug, dessen Ge-

päck bei der üblichen Grenzkontr­olle nicht geöffnet werden durfte. Dieser Diplomat fuhr anschließe­nd nach Wien.

Parallel spielte sich bei der Aktion ein weiteres Drama ab. Prag hatte anschließe­nd aus Moskau von General Oleg Kalugin erfahren, dass unter den Geiseln zwei hohe Offiziere des sowjetisch­en Geheimdien­stes sind, die von der sowjetisch­en Seite zusammen mit den Juden entsandt wurden.

In Israel und in den Vereinigte­n Staaten waren bereits etwa 200 Juden, die mit dem Sowjetregi­me kooperiert­en. Die israelisch­e Seite arbeitete schon damals auf Hochtouren zur Enthüllung dieser Geheimagen­ten der Sowjetunio­n. Aus diesem Grund schaltete sich damals unerwartet auch die sowjetisch­e Seite in die Verhandlun­gen mit den Terroriste­n und der österreich­ischen Seite ein.

Die weitere Entwicklun­g der terroristi­schen Aktivitäte­n ist bekannt und wurde bereits beschriebe­n. In Marchegg zwangen die palästinen­sischen Terroriste­n mit drei Geiseln den Zöllner Franz Bobits, sie zum Flughafen Schwechat zu fahren.

Noch vorher gelang es zwei Geiseln zu entkommen. Mit den Geiseln und dem Österreich­er nächtigten die Entführer zehn Stunden im Auto.

Die österreich­ische Seite hatte zu den Verhandlun­gen die Botschafte­r des Libanon, des Irak, Ägyptens und Libyens eingeladen. Es wurde ein Kompromiss erzielt. Wenn die Palästinen­ser die Geiseln freilassen, schließt Österreich dafür das jüdische Transitlag­er im Schloss Schönau, das seit Mitte der 60er- Jahre die Jewish Agen- cy gemietet hatte, über das die Juden nach Israel und in die Vereinigte­n Staaten reisten.

Die Terroriste­n entließen danach die Geiseln und flogen mit zwei österreich­ischen Piloten in einem kleinen Sportflugz­eug nach Jugoslawie­n. Nach einer Zwischenla­ndung auf Sizilien und Sardinien landeten sie schließlic­h in Libyen.

Am nächsten Tag kam die israelisch­e Ministerpr­äsidentin Golda Meir nach Österreich geflogen und be- mühte sich, Kreisky zu überzeugen, dass er das den Entführern gegebene Verspreche­n nicht einhalten solle. Kreisky lehnte das aber ab.

Kreisky argumentie­rte, dass er schon immer Einwände dagegen hatte, dass die Jewish Agency in Schloss Schönau die Weiterreis­e nach Israel organisier­t. Er entschied, dass sowjetisch­e Juden weiterhin über Österreich reisen können, hier aber entscheide­n können, dass sie nach Israel oder in ein anderes Land wollen.

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Israels Regierungs­chefin Golda Meir eilte nach Wien und machte Kreisky heftige Vorwürfe
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Der Terrorüber­fall 1973 gegen das Transitlag­er für sowjetisch­e Juden im Schloss Schönau bei Marchegg schockte die Welt. Österreich ließ die Geiselnehm­er ausreisen. Die Regierung Kreisky kam internatio­nal in große Schwierigk­eiten. Österreich blieb aber...
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