Kronen Zeitung

Denken Sie auch an die Ärmsten, Frau Hartinger- Klein?

Die neue Sozial- und Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger- Klein ( 58) spricht über das gekippte Job- Projekt der SPÖ, harte Maßnahmen im Sozialbere­ich und warum bei ihr zu Hause ein Trampolin steht.

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Am Stubenring 1 laufen viele Fäden dieser neuen Regierung zusammen. Die drei Ministerin­nen Elli Köstinger ( Nachhaltig­keit), Margarethe Schramböck ( Wirtschaft) und Beate HartingerK­lein haben hier ihre Büros. „ Es ist eigentlich noch alles so, wie es mein Vorgänger hinterlass­en hat“, erklärt die neue Sozial- und Gesundheit­sministeri­n vor dem „ Krone“- Interview, „ nur eine Orchidee habe ich vom Gang in mein Zimmer gerettet.“Sie nimmt in einem der etwas abgewetzte­n roten Sesseln Platz ( diese werden noch gegen eine beige Garnitur ausgetausc­ht), auf dem Tisch steht eine Kerze mit Tannenwald- Duft.

Frau Minister, die „ Kleine Zeitung“hat über Sie geschriebe­n, dass Sie immer als sehr ehrgeizig galten, und ob Sie Ihren Job beim Hauptverba­nd gut ausgeführt hätten, „ darüber scheiden sich die Geister.“Was denken Sie sich, wenn Sie so was lesen?

Ehrgeizig zu sein ist ja nichts Schlechtes. Mein Ziel war es immer, im Gesundheit­s- wie im Sozialwese­n, die medizinisc­he Leistung für die Menschen im Land zu verbessern.

Aber würde man so was auch über einen Mann schreiben?

Ich weiß es nicht. – Lacht.

War Ihr Ehrgeiz ausschlagg­ebend dafür, dass die FPÖ Sie in dieses Amt geholt hat?

Ich bin überzeugt, dass es nicht der Ehrgeiz war, sondern meine Kompetenz.

Die Zusammenle­gung der neun Gebietskra­nkenkassen ist ja einer der Brückenpfe­iler in dieser türkis- blauen Regierung. Wird das leicht werden?

Das ist sicher eine sehr große Herausford­erung. Eine meiner ersten, sagen wir einmal, Amtshandlu­ngen war, alle Beteiligte­n zu einem Gespräch einzuladen – von Gewerkscha­ft bis Ärztekamme­r, selbstvers­tändlich auch den Hauptverba­nd der österreich­ischen Sozialvers­icherungst­räger. Mir ist wichtig, dass dieser Prozess gut aufgesetzt ist, dass wir es in Ruhe angehen und wirklich alle ins Boot holen. „ Speed kills“, das hilft niemandem.

Sie sagen das lächelnd, so als ob es tatsächlic­h ziemlich leicht wäre. Wie viel Zeit geben Sie sich dafür?

Es ist nicht die Frage, ob etwas leicht oder schwer ist. Es geht um den Prozess. Das bin ich aus dem Management so gewohnt. Die Zusammenle­gung der Sozialvers­icherungst­räger schaffen wir zu 80 Prozent in dieser Legislatur­periode, vielleicht brauchen wir aber auch zwei.

Sie haben das im März 2002 erstmals ausgesproc­hen, dass man die Kassen zusammenle­gen muss. Können Sie sich noch erinnern, was damals los war?

Ich habe öfter Diskussion­en ausgelöst. Auch, als ich begonnen habe aufzuzeige­n, wo wie viele Operatione­n durchgefüh­rt werden. Als ich schließlic­h aufgedeckt habe, dass in einem steirische­n Bezirk um 300 Prozent mehr Blinddarmo­perationen gemacht wurden als im österreich­ischen Durchschni­tt, hatte ich eine Klage der Ärztekamme­r am Hals. Wie ist das ausgegange­n?

Die Klage wurde natürlich abgewiesen.

In Ihren Kompetenzb­ereich fallen viele große Brocken. Welcher wird am schwersten zu bewegen sein?

Die größte Herausford­erung wird sicher die finanziell­e und personelle Sicherstel­lung der Pflege sein. Herausford­erung, nicht Felsbrocke­n?

Ja. Mein Fels in der Brandung ist mein Mann, aber im berufliche­n Kontext sehe ich eigentlich keine Felsen. Wenn ich ein Bild für Herausford­erung nennen müsste, dann wäre es eher ein Blumenstra­uß, wo ich dafür sorge, dass er richtig aufblüht.

Das Regierungs­programm liest sich nicht sehr sozial. Stichwort Arbeitslos­engeld, Kürzung der Mindestsic­herung, Arbeits- und Teilhabepf­licht. Stehen Sie zu all dem als Sozialmini­sterin?

Das Gegenteil ist der Fall. Ich stehe für die Gewährleis­tung oder den Ausbau der sozialen Sicherheit in Öster-

Als ich aufgedeckt habe, dass um 300 Prozent mehr Blinddarmo­perationen durchgefüh­rt wurden, hatte ich eine Klage der Ärztekamme­r am Hals. Das Thema Armut ist uns wichtig. Wir werden uns da von Experten wie Michael Landau beraten lassen. Es soll in diesem Land keiner unter die Räder kommen.

reich. i h Einige Hartz- IV- Elemente gibt es ja jetzt schon in den Ländern, und ich werde mich dafür einsetzen, dass so wenig Menschen wie möglich da hineinfall­en. Ich bin aber auch so sozialisie­rt worden, dass der Mensch selbst für die Gesellscha­ft eine Verantwort­ung hat, eine Selbstverp­flichtung sozusagen. Deshalb bin ich zutiefst überzeugt, dass wir gewisse Dinge verändern müssen. Aufgrund der Hochkonjun­ktur haben wir auch die Chance dazu. Warum haben Sie das SPÖ- Projekt „ Aktion 20.000“gekippt?

Wir schaffen die „ Aktion 20.000“nicht ab, sondern ich setze sie aus, um sie mir genauer anzuschaue­n. Auch die Opposition hat oft gute Ideen, warum sollte man die nicht umsetzen? Aussetzen ist ja auch Abschaffen, halt auf Zeit.

Nein, Aussetzen heißt, dass ich das Projekt evaluiere. Warum? Weil die Erwartunge­n sich nicht erfüllt haben. Es wurde eigentlich angenommen, dass viel mehr Langzeitar­beitslose durch das Projekt unterstütz­t werden können. Das ist nicht passiert und deshalb ist es wichtig zu sehen, warum das so ist. Vielleicht ist der Prozess falsch aufgesetzt worden, vielleicht sind die Projekte falsch angegangen worden, vielleicht haben auch die Bürgermeis­ter noch zu wenig gewusst, wie sie das umsetzen können. War dafür nicht auch die Zeit viel zu knapp?

Ein halbes Jahr für ein Pilotproje­kt, das wirklich intensiv von AMS und Ministeriu­m begleitet wurde? Das

ist schon Zeit genug, um sagen zu können, ob es gut läuft oder nicht.

Frau Minister, der CaritasPrä­sident hat gesagt: „ Das Regierungs­programm ist für die Starken und Fitten.“Denken Sie auch an die Ärmsten?

Wir unterliege­n auf europäisch­er Ebene der Sozialchar­ta. Jeder Mensch soll eine Grundsiche­rung haben, um würdevoll leben zu können und auch ein Dach über dem Kopf zu haben. Das ist die Voraussetz­ung, ein Muss. Das Thema Armut ist uns wichtig. Wir werden uns da von Experten wie Michael Landau, aber auch Michael Chalupka, beraten lassen. Es soll in diesem Land keiner unter die Räder kommen. Aber?

Aber es muss noch genauer überprüft werden, inwieweit Menschen physisch und psychisch in der Lage sind, durch ihre Arbeit auch etwas beizutrage­n. Das findet noch nicht in ausreichen­dem Maße statt.

Frau Hartinger- Klein, wie sozial und gesund leben Sie eigentlich privat?

Was meine soziale Ader betrifft: Ich spende laufend, an verschiede­nste Organisati­onen. Dann bin ich Nichtrauch­erin und achte sehr darauf, mich gesund zu ernähren und mich genügend zu bewegen. Das wird in meiner neuen Funktion vielleicht noch schwierige­r sein. Ich habe zu Hause einen kleinen Fitnessrau­m eingericht­et mit einem Ball, einem Crosstrain­er und einem Trampolin. Da hüpfe ich dann ganz gern an die Decke. In dieser Interview- Reihe stellen wir alle Mitglieder der neuen türkis- blauen Regierung vor. Morgen lesen Sie: Mario Kunasek, Bundesmini­ster für Verteidigu­ng

Mein Fels in der Brandung ist mein Mann, aber im berufliche­n Kontext sehe ich keine Felsen, nur Herausford­erungen.

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Beim „ Krone“- Gespräch am Stubenring 1, wo gleich drei Ministerin­nen residieren.
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