Die Legende lebt
Neuer Turrini an der Josefstadt
An literarischen Beiträgen zur Flüchtlingskrise herrscht kein Mangel, Elfriede Jelinek hat mit dem Text „ Die Schutzbefohlenen“Maßstäbe auch für die Bühne gesetzt. Peter Turrini versucht es nun mit fast schon außer Gebrauch geratenen Instrumentarien und gewinnt: Das politische Volksstück „ Fremdenzimmer“gerät der „ Josefstadt“sehenswert.
Ein Volksstück zu schreiben, ist heute mit Risiken verbunden: Man braucht eine einfache Geschichte und emotional bewegende Figuren und bleibt dafür unbedankt, denn der Zeitgeist folgt anderen Prioritäten. Sieht man sich in der Tradition Anzengrubers, Zuckmayers oder Kroetz’, so ist zudem Haltung gefordert. Ist man, wie Turrini, gar selbst ein Klassiker des Genres, sitzt einem die eigene Legende im Nacken. Turrini entledigt sich der Aufgabe mit Bravour: Er verknüpft die Flüchtlingsthematik mit einem seiner Hauptmotive, der Vereinsamung alter Menschen auf der Schattenseite der Gesellschaft ( wohin man jetzt wieder schnell geraten
kann). Das alte Paar hat einander nichts mehr zu sagen, da steht ein junger Syrer im Zimmer. Er will nur sei Handy aufladen, aber sie lassen ihn nicht mehr fort, denn er ist ihre letzte Chance. Herbert Föttinger nimmt dem Stück alle Anwandlungen zur Verkündigungspädagogik. Auf leerer Bühne bringt er die ebenso sarkastischen wie poetischen Dialoge in die Schwebe zwischen Tragödie und Groteske, und er hat großartige Schauspieler zur Verfügung: Erwin Steinhauer als veredelungsfähigen Alltagsfaschisten, die wunderbare Ulli Maier als Schmerzensmutter und Tamim Fattal als fast stummen, aber hoch präsenten Katalysator.