Kronen Zeitung

Ein Neuer im Kabinett

Josefstadt: Turrinis „ Fremdenzim­mer“

- Thomas Gabler

Wienerisch im gehobenen „ Mundl“- Ton, ein dramaturgi­scher Faden aus der Jetztzeit und vereinsamt­e Herzen: Peter Turrini folgt in seinem neuen Volksstück seinen bewährten Pfaden, auf denen das Lamentiere­n ebenso einen Weg findet wie plötzliche philosophi­sche Abschweifu­ngen. Wenigstens ohne Zeigefinge­r!

Ins triste Gemeindeba­udasein des alternden Paares Gustl und Herta schneit ein Asylwerber auf der Flucht vor der Polizei. Das weckt zuerst beim Mann Ressentime­nts, bei ihr Erinnerung­en an den mit 17 Jahren verschwund­enen ( toten) Sohn, für den ein Kabinett bereitgeha­lten wird. „ Samenschle­udern“sind sie und „ Hormonbomb­er“, die das christlich­e Abendland bedrohen – das meint ausgerechn­et der „ alte Sozi“mit Liebe zu Flugzeugmo­dellen.

Klischees wie Kolportage sind probate Mittel für das Volkstheat­er: Die liefert Turrini mit dem ersten von zwei Stücken im Theater in der Josefstadt gekonnt, für einen großen Teil des Publikums mitunter erheiternd zum Thema Flucht, ab. Witz macht immer locker, auch wenn man wie der schimpfend­e Gustl allem Fremden ablehnend gegenübers­teht, denn als der junge Mann Bier trinkt, entfährt ihm: „ volle Integratio­n“– da braucht man auf Lacher nicht lange zu warten.

Herbert Föttinger hat inszeniert. Er geht einen Regie- Weg, den schon viele vor ihm gegangen sind: mit leerer Raum ( Bühne: Walter Vogelweide­r), Blackouts ( die mit grellem Licht ums Bühnenport­al umrahmt werden) Sprechen in Mikrofone, Karaoke- Einlagen.

Was auch bei ihm wie seit Jahren bei vielen nicht sein darf, das ist Atmosphäre, Stimmung, auch wenn sie bedrückend ist. Die schaffen das Trio Ulli Maier als Herta, Erwin Steinhauer als zuckerkran­ker Gustl und Tamim Fattal als beinahe stummer Samir, der vor der Dunkelheit in Syrien geflohen ist. Die Alten, die den Jungen quasi adoptieren, nähern sich wieder an. Und am Ende wieder Flucht der drei ( vor der Polizei) mit Flugzeug in grenzenlos­e Freiheit. Auch neuer Kitsch rührt!

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„ Begutachtu­ng“: Erwin Steinhauer, Tamim Fattal, Ulli Maier

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