Ein Neuer im Kabinett
Josefstadt: Turrinis „ Fremdenzimmer“
Wienerisch im gehobenen „ Mundl“- Ton, ein dramaturgischer Faden aus der Jetztzeit und vereinsamte Herzen: Peter Turrini folgt in seinem neuen Volksstück seinen bewährten Pfaden, auf denen das Lamentieren ebenso einen Weg findet wie plötzliche philosophische Abschweifungen. Wenigstens ohne Zeigefinger!
Ins triste Gemeindebaudasein des alternden Paares Gustl und Herta schneit ein Asylwerber auf der Flucht vor der Polizei. Das weckt zuerst beim Mann Ressentiments, bei ihr Erinnerungen an den mit 17 Jahren verschwundenen ( toten) Sohn, für den ein Kabinett bereitgehalten wird. „ Samenschleudern“sind sie und „ Hormonbomber“, die das christliche Abendland bedrohen – das meint ausgerechnet der „ alte Sozi“mit Liebe zu Flugzeugmodellen.
Klischees wie Kolportage sind probate Mittel für das Volkstheater: Die liefert Turrini mit dem ersten von zwei Stücken im Theater in der Josefstadt gekonnt, für einen großen Teil des Publikums mitunter erheiternd zum Thema Flucht, ab. Witz macht immer locker, auch wenn man wie der schimpfende Gustl allem Fremden ablehnend gegenübersteht, denn als der junge Mann Bier trinkt, entfährt ihm: „ volle Integration“– da braucht man auf Lacher nicht lange zu warten.
Herbert Föttinger hat inszeniert. Er geht einen Regie- Weg, den schon viele vor ihm gegangen sind: mit leerer Raum ( Bühne: Walter Vogelweider), Blackouts ( die mit grellem Licht ums Bühnenportal umrahmt werden) Sprechen in Mikrofone, Karaoke- Einlagen.
Was auch bei ihm wie seit Jahren bei vielen nicht sein darf, das ist Atmosphäre, Stimmung, auch wenn sie bedrückend ist. Die schaffen das Trio Ulli Maier als Herta, Erwin Steinhauer als zuckerkranker Gustl und Tamim Fattal als beinahe stummer Samir, der vor der Dunkelheit in Syrien geflohen ist. Die Alten, die den Jungen quasi adoptieren, nähern sich wieder an. Und am Ende wieder Flucht der drei ( vor der Polizei) mit Flugzeug in grenzenlose Freiheit. Auch neuer Kitsch rührt!