Balkan 20 Jahre nach dem Krieg
Zwei Jahrzehnte nach der schwersten kriegerischen Erschütterung Europas seit 1945 ( JugoslawienzerfallsKrieg, Kosovo- Krieg) erlebt der Balkan eine bedeutende Wende. Zwei Staaten haben die bisherigen „ Spielkarten“gewechselt: Der Kriegsverlierer Serbien startet einen Aufbruch nach Europa mit dem Ziel der EU- Mitgliedschaft und reißt Tür und Tor sperrangelweit auf, während der Sieger und schon EU- Mitglied Kroatien in einen engstirnigen Nationalstaat zurückfällt.
Kroatien ist die große Enttäuschung. Die EU hatte diesem Staat alle Chancen eröffnet, dennoch steckt die Wirtschaft in einer Dauerkrise. Das Werben um ausländische Investitionen ist gelinde gesagt zurückhaltend, weil die politische Klasse bis hinab zu den Dorfbonzen kein Interesse hat, dass das Ausland die Nase in ihre Besitztümer steckt. Diese politische Klasse nährt sich aus dem Heldenkult des Unabhängigkeitskrieges, radikalisiert sich zusehends und reicht immer tiefer in die Geschichte zurück bis zum Ustascha- Staat von Hitlers Gnaden.
Ihre Tentakel strecken Kroatiens Hardliner auch in den kroatischen Landesteil Bosniens, die Herzegovina. Das ist eine Blockade mehr in jenem Staat, der ohnehin nicht funktioniert.
Man muss Kroatien zugutehalten, dass es – obwohl Nationalstaat – aus seiner k. u. k. Geschichte heraus aus drei Landesteilen unterschiedlicher Interessen besteht: die zwei Ex- Königreiche Slawonien und Kroatien und das ex- venezianische Dalmatien. Das erschwert die demokratische Politik.
Das Wohl und Weh auf dem Balkan hängt von seinen beiden großen Völkern – Serben und Kroaten – ab. In Bosnien hat der Häuptling der Republika Srpska angesichts des Liebesentzugs durch Belgrad seinen Ton gemäßigt und konzentriert sich mehr auf Korruption und Kontakte zu Putin.
Auch Bosnien wird geplagt von seiner einbetonierten politischen Klasse. Der Trick der Macht ist stets der gleiche: Vor jeder Wahl mobilisieren die drei Führer die Ängste ihres jeweiligen Volkes, um wieder und wieder als vorgebliche Schutzherren an der Macht zu bleiben. Andere Parteien haben keine Chance.
Ähnlich ist es im Kosovo. Dort und ebenso in Bosnien könnte nur der Druck aus den USA etwas bewegen, und der ist nicht zu erwarten, weil doch ohnehin alles „ ruhig“ist.
Die EU hat keine Macht außer ihre wirtschaftliche Attraktivität. Wirtschaft als Beruhigungselement einzusetzen hat auch der serbische Präsident Vučić im Sinn mit seinem Vorschlag eines gemeinsamen Marktes auf dem Westbalkan.