Kronen Zeitung

Jetzt kommt Cold- Case- Europa

Österreich hat eine Vorreiterr­olle bei der Aufrollung „ alter“Kriminalfä­lle. Viele Länder wollen nun nachziehen. Ziel: ein europaweit­es Fahndernet­z. Aber auch schon jetzt finden staatsüber­greifende Ermittlung­en statt.

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Es gibt sie: Morde, die trotz umfangreic­hster Erhebungen nicht aufgeklärt werden. Es gibt sie: Menschen, die von einer Sekunde auf die nächste verschwind­en, spurlos, und selbst intensivst­e Nachforsch­ungen keinen Hinweis bringen, was mit ihnen geschehen sein könnte. Es gibt sie einfach, überall auf der Welt: Kriminalfä­lle, die nicht entschlüss­elbar scheinen.

Und dann geschieht es manchmal, dass in diesen Causen abermals ermittelt wird – von „ Cold Case“Fahndern.

2010 war es, als im Bundeskrim­inalamt solch eine Sondereinh­eit gegründet wurde. Zahlreiche „ offene Akten“wurden in der Folge geöffnet – und einige davon mittlerwei­le „ erfolgreic­h geschlosse­n. Wie etwa die Vermissten­rätsel um Julia Kührer und Heidrun Wastl.

Was ist anders – bei späten Überprüfun­gen? „ Alles“, sagt Kurt Linzer, Leiter der hiesigen „ Cold Case“- Abteilung, „ wir haben die Möglichkei­t, uns modernster Techniken zu bedienen. Zum Beispiel Fragmente von Knochentei­len in SpezialLab­ors zu schicken, in denen festgestel­lt werden kann, in welchen Gebieten der Erde die Verstorben­en früher gelebt haben.“

„ Menschen verändern sich nach einer Tat . . .“

Eine Frau, die 1993 im Burgenland umgebracht wurde, konnte so kürzlich identifizi­ert werden: „ Wir wissen jetzt: Das Opfer stammte aus der Dominikani­schen Republik und arbeitete hier als Prostituie­rte.“

Eine wichtige Informatio­n, „ die den Täterkreis einschränk­t“. Mit der Unterstütz­ung von Profilern wird nun der Fall aufgearbei­tet, „ und natürlich mit klassische­n Methoden“. Mit Befragunge­n im ehemaligen Umfeld des Opfers: „ Der Faktor Zeit ist uns dabei sehr nützlich. Denn wenn ein Mensch einen Mord begeht, verändert das etwas in ihm, in seinem Verhalten. Er gerät aus der Spur, mit jedem Jahr mehr.“

Das Problem von Linzer und seinem Team: „ Obwohl enge Kooperatio­nen mit Europol bestehen, haben wir wenige Möglichkei­ten zum Gedankenau­stausch mit Kollegen, die denselben Beruf ausüben wie wir.“

Bloß in Großbritan­nien, Holland und Tschechien gibt es bislang „ Cold Case“- Einheiten. „ Im Laufe des vergangene­n Jahres“, so Andreas Holzer, kriminalpo­lizei-

licher Leiter im BKA, „ bekundeten jedoch weitere europäisch­e Länder Interesse, derartige Abteilunge­n aufzubauen“.

Österreich soll ihnen dabei mit Know- how zur Seite stehen, „ eine übergreife­nde Zusammenar­beit ist geplant“. Und findet teilweise auch schon intensiv statt.

Parallelen in den Fällen Kampusch und Maddie

Das Schicksal der Londonerin Maddie McCann, die 2007 während eines Urlaubs mit ihrer Familie aus einem Hotelzimme­r in Portugal entführt wurde, erinnert an den „ Fall Kampusch“, der einst von Linzer & Co. evaluiert wurde: „ Die große Hoffung: Vielleicht führen unsere dazu gesammelte­n Erfahrunge­n zu neuen Ermittlung­sansätzen bei der Suche nach dem Mädchen.“

Umgekehrt greifen die österreich­ischen „ Cold Case“Fahnder „ gerade sehr stark auf Erkenntnis­se, die in Holland bezüglich im Duo verschwund­ener Personen gemacht wurden“, zurück.

Wegen einer mysteriöse­n Causa aus Oberösterr­eich: Im September 2015 setzten sich zwei junge Mühlviertl­er spätnachts in ihren Wagen und fuhren los. Um eine Bar zu finden, in der sie Bier trinken wollten. Seitdem fehlt von ihnen jede Spur. Linzer: „ Ein Albtraum für die Angehörige­n der beiden Männer. Denn nichts ist quälender als Ungewisshe­it.“

Einen Satz, den auch die Mutter jener Dominikane­rin, die im Burgenland einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, aussprach. Während Fahnder ihr eine DNAProbe zum Vergleich mit der des Opfers abnahmen. Bei Vorliegen des Testergebn­isses sagte sie: „ So seltsam es klingen mag, aber ich bin jetzt erleichter­t. Weil ich endlich die Wahrheit weiß.“

 ??  ?? Maximilian Baumgartne­r ( ganz links im Bild) und Andreas Leitner waren von Kindheit an beste Freunde. Am 11. September 2015 fuhren sie mit ihrem alten Citroën los, um noch in irgendeine­r Bar Bier zu trinken. Seitdem fehlt von den beiden jungen Männern jede Spur.
Maximilian Baumgartne­r ( ganz links im Bild) und Andreas Leitner waren von Kindheit an beste Freunde. Am 11. September 2015 fuhren sie mit ihrem alten Citroën los, um noch in irgendeine­r Bar Bier zu trinken. Seitdem fehlt von den beiden jungen Männern jede Spur.
 ??  ?? Im Sommer 2007 verschwand die kleine Engländeri­n Madeleine McCann aus einem Hotelzimme­r in Portugal. Nun werden Erfahrunge­n aus dem „ Fall Natascha Kampusch“verwendet, um neue Ermittlung­sstrategie­n in der bis dato ungeklärte­n Causa zu setzen.
Im Sommer 2007 verschwand die kleine Engländeri­n Madeleine McCann aus einem Hotelzimme­r in Portugal. Nun werden Erfahrunge­n aus dem „ Fall Natascha Kampusch“verwendet, um neue Ermittlung­sstrategie­n in der bis dato ungeklärte­n Causa zu setzen.
 ??  ?? 1993 wurde im Burgenland eine Frau ermordet. Jahrzehnte später gelang es „ Cold- Case“- Fahndern, ihre Identität zu klären. Es handelt sich um eine Dominikane­rin. Jetzt wird in ihrem ehemaligen Umfeld nach dem Täter gesucht.
1993 wurde im Burgenland eine Frau ermordet. Jahrzehnte später gelang es „ Cold- Case“- Fahndern, ihre Identität zu klären. Es handelt sich um eine Dominikane­rin. Jetzt wird in ihrem ehemaligen Umfeld nach dem Täter gesucht.
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 ??  ?? Andreas Holzer, Leiter der kriminalpo­lizeiliche­n Abteilung im BKA, und „ Cold- Case“- Chefermitt­ler Kurt Linzer.
Andreas Holzer, Leiter der kriminalpo­lizeiliche­n Abteilung im BKA, und „ Cold- Case“- Chefermitt­ler Kurt Linzer.

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