Schweres Gewicht
Ich war noch kaum zur Tür drinnen, da hatten mir die Damen des Hauses schon das Tuch vom Kopf gerissen und mich aus dem weiten knielangen Mantel geschält. Vor einiger Zeit besuchte ich auf einer Reise durch den Iran Freunde in Teheran. Sie fanden es furchtbar, dass sich ihr Land als so ungastlich erweist – und auch Touristinnen dazu zwingt, ein Kopftuch zu tragen. Dieses symbolhafte Kleidungsstück, das Frauen hier seit Jahrzehnten in ihrer Freiheit beschränkt.
Ein paar Tage ein Kopftuch zu tragen, da ist doch nichts dabei, dachte ich vor der Abreise. Doch so einfach war es nicht. Mit jeder Stunde, die ich es tragen MUSSTE, wurde es schwerer. Und noch in der Nacht, wenn ich es im Hotelzimmer endlich ablegen durfte, spürte ich das Gewicht des Zwangs auf meinem Kopf. Kaum vorstellbar, damit täglich leben zu müssen.
1979 schon protestierten Tausende Frauen gegen die Pflicht zur Kopfbedeckung. Sie wurden nicht gehört. Nur wenige Tage vor dem Jahrestag der Islamischen Revolution wollen sich die „ Töchter der Revolution“, wie sich die Protestierenden heute nennen, endlich Gehör verschaffen. Mutig lassen immer mehr Frauen mitten auf der Straße ihre Haare im Wind wehen, das Kopftuch schwenken sie wie Fahnen. Junge Frauen, Omas, gläubige Musliminnen, auch Männer haben sich diesen Protesten angeschlossen. Viele wurden verhaftet, mit hohen Geldstrafen belangt. Doch die Frauen machen weiter. Es geht zwar nur um ein Stück Stoff – aber eines, das unglaublich viel Gewicht hat.