„ Jetzt ist das endlich vorbei“
Nach seinem Olympiasieg ließ Marcel Hirscher tief in seine Seele blicken: Warum er heimfahren könnte, was ihn ernüchtert und wer ein paar Stunden nach dem Triumph immer noch nicht angerufen hat
Marcel, du hast endlich die Medaille um den Hals, die dir noch gefehlt hat: Wie fühlt man sich da?
Es ist ein Gefühl der grenzenlosen Erleichterung. Weil ich ja natürlich auch selbst wusste, dass mir das noch fehlt. Und weil . . . “
Weil was?
„ Weil das jetzt endlich vorbei ist. Die Fragerei nach der fehlenden Olympia- Goldenen. Eigentlich könnte ich mich jetzt mit Laura zusammenpacken und sofort heimfahren. Es ist ja im Prinzip alles erledigt, was hier zu erledigen war.“
Das machst du aber hoffentlich nicht wirklich?
„ Nein, nein, keine Angst: Ein bissl bleib ich schon noch da. Es gibt ja doch noch ein wenig zu tun.“
In den ersten Augenblicken nach dem Sieg hast du völlig emotionslos gewirkt, fast wie versteinert?
Ja, stimmt. Einerseits habe ich das nicht gepackt. Mir fehlte die Luft zum Atmen. Und das, was ich da fühlte, ist für mich auch nicht in Worte zu fassen. Immer noch nicht. Auch jetzt nicht, wo ich ein paar Stunden Abstand gewinnen konnte. Aber andererseits war das al- les auch irgendwie ernüchternd für mich.“
Inwiefern?
Ich weiß einfach zu schätzen, was es heißt, ein Großereignis in der Heimat zu haben. Wie damals in Schladming. Es ist schon ein megageiles Gefühl, wenn du ins Ziel kommst, gewinnst und rund 60.000 Menschen da eine Mega- Party abziehen. Aber hier? Man erinnert sich auch daran, wie man das als kleines Kind miterlebte. Wie man sich wünschte, so was auch einmal erleben zu können, und gleichzeitig dachte, dass das für immer ein Traum blei-
ben wird. Dann ist es halt einfach enttäuschend, wenn das so abläuft wie hier. Und es ist auch nicht einfach, dass dann die richtigen Emotionen aufkommen.
Aber jetzt, mit ein wenig Abstand: Hast du schon realisiert, wie viel einfacher dieser Sieg die kommenden Aufgaben macht?
„ Ich kann jetzt sicher ruhiger schlafen als in den letzten Tagen, keine Frage. Weil die Lockerheit auf einmal wieder da ist . . .
Halt, stopp, kurze Unterbrechung: Deine Lockerheit war wirklich weg?
Nein, weg war sie nicht wirklich. Aber es ist jetzt halt viel einfacher für mich, sie jederzeit zu finden. Jetzt, wo eben das da erledigt ist, nach dem mich seit Wochen alle fragten.
Und das, was außerhalb jeglicher Reichweite schien, als du dir im August den Knöchel gebrochen hast?
Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich am 13. Februar ein paar Rennen gewonnen habe, im Weltcup führe und noch Olympiasieger bin, ich hätte ihn für völlig vertrottelt erklärt.
Umso größer muss der Genuss jetzt sein: Hat dich eine Gratulation aus der Heimat besonders gefreut?
Ich habe natürlich kurz mit der Familie telefoniert, sonst hatte ich noch keine Zeit, mich um all die SMS und so weiter zu kümmern. Aber der Hermann Maier hat noch nicht angerufen.