Petra Morzé gehört der Abend
Festspiele Reichenau: Williams, „ Endstation Sehnsucht“
Mit Anna Karenina, Effi Briest, Madame Bovary haben die Festspiele in Reichenau „ Frauenschicksale“unter die Lupe genommen. Nun folgt Blanche DuBois an der Reihe: jene zerbrechliche verwirrende Verblühende aus Tennessee Williams’ „ Endstation Sehnsucht“. Eindrucksvoll von Petra Morzé gespielt.
Im Neuen Spielraum, der kleinformatigen Rundbühne in Reichenau, ist man als Zuschauer ganz nahe am Geschehen. Was bei „ Endstation Sehnsucht“geradezu zum Programm gehört. Denn dort, in der beengten Wohnung der ärmlichen Kowalskis, in der jede Privatsphäre Illusion ist, in der wie im Druckkochtopf alles hochgesteigert wird, existiert keine Distanz.
Liebe, Verlangen, Gewalt: unmittelbar und ungehobelt. Blanche, die wie eine Motte unruhig, heimatlos und in eine Scheinwelt geflüchtet, zu ihrer Schwester zieht, muss auch da scheitern.
Regisseurin Beverly Blankenship zieht die Konturen des in kräftigen Farben gemalten Sozial- und Menschendramas noch einmal nach: Für Psycho- logie und Entwicklung ist wenig Platz; alles ist direkt, eindeutig. Und selbst der nach Zauber dürstende Charakter der Blanche ist leicht zu durchschauen.
Doch das macht nichts: In der schwülen Atmosphäre, zwischen Schlägereien und Wut wären Zwischentöne fast zu viel. Petra Morzé ist die Blanche, die aufdringlich wie zerbrechlich sein kann. Ein Charakterbild, das sympathisch ist, aber auch nervt. Hart am Realismus ohne jede poetische Verbrämung! Und intensiv gespielt. Erwartungsgemäß gehört der Abend ihr.
Als brutaler Stanley hat man den klar agierenden Daniel Jesch engagiert, als untergeordnete Schwester Johanna Arrouas, Dirk Nocker spielt perfekt den schwerfälligen Kumpel Mitch. Alles passt, alles gut: beachtlicher Erfolg!