Der Wahnsinn hat Methode
Was sich Amerikaner und ihre Volksvertreter von diesem Präsidenten alles gefallen lassen. Trump könnte stolpern, wenn die Kunden in den USA die Strafzölle werden zahlen müssen.
Die USA haben eine Freiheitsstatue. Sie ist der Leuchtturm der Freiheit, der die Migranten willkommen heißt.
Und sie haben einen Trump, der zur Abschreckung unwillkommener Migranten aus dem Süden diesen die Kinder wegnehmen wollte. 2200 waren es bis zum Stopp der Anordnung. Viele Kinder haben ihre Eltern noch immer nicht gefunden.
Der Widerspruch zwischen großmundigen Versprechen und der Realität – so ist eben Amerika: das Land der unbegrenzten Gegensätze.
Ein US- Präsident mit Rechtschreibproblemen
Die bizarren PräsidentenTweets, die Fäkalsprache, der Bildungsmangel dieses 44. Nachfolgers des ( in der Kuppe des Kapitols) vergöttlichten George Washington: All das empört in Europa, aber regt hier kaum jemanden wirklich auf. Für die Rechtschreibfehler, die Trump in seinen Tweets macht, bekäme bei uns jeder Englischschüler ein knallendes Nicht genügend.
„ So ist er eben“, reagiert man hier achselzuckend. Die Todesseuche durch Missbrauch mit opioidhältigen, frei käuflichen Schmerzmittel? Und die Schusswaffenmassaker?
Tödliche Epidemie durch Schmerzmittel- Sucht
Niemand in der Politik hier packt gesellschaftliche Missstände an, und Trump „ betet für die Opfer“. Die Schmerzmittelsucht („ Opioid- Epidemie“) hat seit 2000 382.000 Opfer gefordert ( 46.041 in den letzten 12 Monaten) – mehr Tote als unter US- Soldaten seit 1945.
Das amerikanische Volk vergiftet und erschießt sich, während sein Präsident „ America first“trommelt. Es ist sogar nur ein „ White America first“, denn die Blütenweißen ahnen, dass sie schon bald in der Minderheit sind. Trumps „ America first“ist eine Abdankung aus der Welt und der Rückzug auf die Festung von „ Gottes eigenem Land“, weil die Amerikaner spüren, dass die USA ihr Monopol in der Welt verloren haben.
All das und noch mehr hatte Trump zum Wahlsieg verholfen, und er arbeitet sein Wahlprogramm konsequent ab. Es enthält auch unerfüllte Wählerwünsche aus frühen Zeiten der seit Jahren innerlich blockierten amerikanischen Innenpolitik. Trumps Herrschaft aus Lügen und Demagogie ( griechisch: Volksverführung) ist der groteske Höhepunkt des Aufstands der Wutbürger.
Am 6. November sind Kongresswahlen. Nationalratspräsident Sobotka hat sich bei den Senatoren und Abgeordneten umgehört, wie die Stimmung im Parlament und im Wahlvolk ist und wie lange sie sich Trump
noch gefallen lassen. Hier die Bestandsaufnahme:
Immer öfter hört man von „ 8 Jahren Trump“
Was bei uns als skandalöse Präsidentschaft empfunden wird, wird im Capitol viel gelassener gesehen. Trumps Partei übt sich in Zurückhaltung zu den „ acht Jahren Trump“( ja, man spricht immer öfter von acht Jahren): „ Präsidenten kommen und gehen, der Kongress hält die Stellung.“Es ist auch der amerikanische Respekt vor dem „ Commander in Chief“, den Ersatz- Monarchen.
So hat es Trump fertig gebracht, die anfangs widerspenstige Partei zu disziplinieren und auch andere Gegner mit seinen populistischen Volten zu verwirren und zu lähmen. ( Einmal mehr stellt sich die Frage, wie Demokraten Demagogen beikommen können).
Ein US- Präsident hat große Vollmachten, die erst Trump so richtig ausschöpft. Während er wie ein Autokrat mit Dekreten um sich wirft, gibt es im Kongress ( noch?) keine Anzeichen, diese Macht gesetzlich zu beschränken. Der Kongress sitzt aber auf dem Geld.
Wohin verschwanden die Demokraten?
In der Außenpolitik kann Trump auf aktive Unterstützung bauen pro Israel, kontra Iran, pro Saudi- Arabien, kontra China – aber der Kongress auch kontra Russland. Der Kongress ist europafreudlicher als Trump, auch aus emotionalen Bindungen familiärer Herkunft. ( Donald Trump aus Rheinland- Pfalz mag Deutschland nicht, mag Merkel nicht und hasst deutsche Autos).
Die Zoll- und Tarifpolitik kann der Präsident allein bestimmen. Sie wird Trump auf den Kopf fallen, „ wenn sie für die Menschen spürbar wird, die sie bezahlen müssen – allerdings erst nach den Kongresswahlen“, vermerkt ÖVP- Abgeordneter Reinhold Lopatka zu den Gesprächen im Kongress.
Einen aktuellen Überblick über die Parteienlandschaft und die Stimmung im Wahlvolk vermittelt der Meinungsforscher Alec Tyson vom renommierten „ Pew“- Institut:
Die ideologische Landschaft der USA ist mittendurch gespaltener denn je zwischen Jung und Alt, Weiß und Farbig, Männlich und Weiblich. Trump heizt die Spaltung kräftig an.
Die Konservativen rücken nach rechts, die Liberalen nach links. Hinzu kommen Divergenzen auch im republikanischen Lager, das nur schwer zusammengehalten werden kann, während die Demokraten an einer politisch überalterten Führung kränkeln. Die Partei steht nach ihrer Niederlage auch noch immer ohne nationalen Hoffnungsträger ( m/ w) da.
Jedenfalls wird die Kongresswahl ein Urnengang mit ganz speziellem TrumpFaktor. Das meinen 61 Prozent aus dem demokratischen Lager und 53 Prozent aus dem republikanischen.
Mit Trumps Amtsführung sind 40 Prozent einverstanden, 54 Prozent nicht. 60 Prozent meinen, Trump habe keinen Respekt vor der amerikanischen Demokratie, 38 sind nicht dieser Meinung.
Beide Lager leben in verschiedenen Medienwelten. 47 Prozent folgen dem TVSender „ Fox News“. ( Dieser ist die Fortsetzung von Goebbels Reichsrundfunk mit anderen Mitteln.)
Es siegt, wer sein Lager besser mobilisiert
Fazit: In dieser gespaltenen politischen Landschaft gewinnt der, der sein Lager besser motivieren, mobilisieren, sprich: zuspitzen kann. Trump ist in einem Dauerwahlkampf unterwegs.
„ Er versteht seine Basis besser als andere Politiker“, hörte Nationalratspräsident Sobotka im Kongress. „ Die republikanischen Wähler mögen nicht mit allem einverstanden sein, was Trump tut, aber noch weniger einverstanden sind sie mit – ohnehin mangelnden – Alternativen.“
Egal, wie auch immer: In Donald Trump sieht sich Amerika in den Spiegel. „ Man muss hier akzeptieren, dass in den USA die Uhren eben anders ticken“, zieht Nationalratspräsident Sobotka Bilanz.