Jetzt „ weicher Brexit“: Kurz nach London
Großbritannien will Freihandelszone mit EU, aber unter vielen Bedingungen EU will aber kein „ Rosinenpicken“
Nach 10 Monaten Streit und 11 Stunden Klausur hat sich die Regierung endlich auf eine Linie geeinigt: Es soll ein „ weicher Brexit“mit einer Frei- handelszone werden. Das ist aber von der EU noch lange nicht gegessen, denn London äußert viele Nebenwünsche ohne Pflichten – Stichwort: „ Rosinenpicken“.
Großbritannien will bei Waren und landwirtschaftlichen Erzeugnissen auch nach dem Austritt aus der EU weiterhin eng an den europäischen Binnenmarkt gebunden bleiben. Damit soll verhindert werden, dass der grenzüberschreitende Handel und Lieferketten zwischen Großbritannien und dem Kontinent beeinträchtigt werden. Sichergestellt werden soll das durch ein „ gemeinsames Regelbuch“, in dem London EUVorschriften und Produktstandards übernimmt. Gleichzeitig wollen die Briten aber weiterhin dabei mitreden können, wie die Regeln aussehen.
Die anderen drei Freiheiten der EU – Kapital, Arbeitskräfte und Dienstleistungen – sollen jedoch Beschränkungen unterworfen werden. Damit wollen die Briten u. a. die ungehinderte Einreise von EU- Bürgern stoppen. Sie nehmen dabei in Kauf, dass Banken und Versicherungen keinen uneingeschränkten Zugang mehr zum EU- Binnenmarkt haben.
Fraglich ist, ob Brüssel sich auf einen solchen Handel einlässt. Bislang hat sich die EU auf den Standpunkt gestellt, dass die vier Freiheiten des Binnenmarkts nicht einzeln verhandelbar sind.
Aus der Europäischen Zollunion will London weiterhin austreten, damit das Land eigene Handelsabkommen mit Drittstaaten
wie den USA und China schließen kann. Um trotzdem Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU- Mitglied Irland zu vermeiden, wollen die Briten für Importe aus Drittländern zwei verschiedene Zollsätze erheben: einen für Waren, die für den europäischen Markt bestimmt sind, und einen anderen für Güter, die in Großbritannien verkauft werden sollen. Auch das dürfte in Brüssel auf Skepsis stoßen.
Kurz: Brexit- Gespräche notfalls verlängern
EU- Ratsvorsitzender Kurz bricht heute zu einer Fact- Finding- Mission an die Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland auf und wird sich dann in London bei Theresa May aus erster Hand über die Brexit- Beschlüsse der britischen Regierung informieren. Kurz schließt nicht aus, dass die Brexit- Verhandlungen im Notfall verlängert werden, falls eine Einigung mit London nicht rechtzeitig erzielt werden kann.
Großbritanniens Frist für den Brexit läuft am 29. März 2019 aus. Der Verhandlungsprozess beginnt aber erst jetzt mit Riesenverspätung.
Zwischen Irland und Nordirland gibt es derzeit eigentlich gar keine Grenze. Nach dem Brexit gäbe es dort aber eine EU- Außengrenze. Das soll vermieden werden, da davon der Friede in Nordirland abhängt. Die Katholiken wollen keine Grenze, die Protestanten keine Trennung von Großbritannien.