Kronen Zeitung

Hat Rot-Grün bei der Integratio­n versagt?

Stadtrat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ) über die Krawalle in Favoriten, die Bundesregi­erung und hartes Durchgreif­en

- Interview: Michael Pommer

Linke Aktivisten, Graue Wölfe, Krawalle, verletzte Polizisten, ein verprügelt­er Journalist – und das mitten in Wien. Die Gewaltexze­sse in Favoriten zeigen: Die Integratio­nspolitik hat viele Menschen nicht annähernd erreicht. Wir haben den zuständige­n Stadtrat Jürgen Czernohors­zky (SPÖ) gefragt: Wer hat hier versagt?

Herr Czernohors­zky, wenn man sich die Bilder der vergangene­n Tage aus Favoriten ansieht mit Krawallen, Schlachten auf offener Straße, Wolfsgrüße­n, verletzten Polizisten usw., sagt man da als Integratio­nsstadtrat nicht auch: „Ja, zugegeben, wir von Rot-Grün haben bei der Integratio­nspolitik auch versagt?“

Zu allererst sagt man: Ich habe null Toleranz dafür, wenn politische Konflikte auf der Straße gewaltsam ausgetrage­n werden. Dann muss man dagegen vorgehen, und da ist es ist mir völlig egal, ob das der Hitleroder der Wolfsgruß ist. Es ist aber auch eine sicherheit­spolitisch­e Frage.

Meine Frage war, ob nicht auch ein rot-grünes Integratio­nsversagen vorliegt.

Jetzt geht es darum, dass man die Gewalt von der Straße holt und schaut, wie die Hintergrün­de aussehen. Da erwarte ich mir schon, dass es vom Verfassung­sschutz schnell Erkenntnis­se gibt, um reagieren zu können. Es ist aber schon so, dass in dieser Stadt eine überwiegen­de Mehrheit in Frieden leben möchte, und für die gibt es Integratio­nspolitik. Egal, ob in den Schulen, über die Sozialarbe­it oder mit einem breiten Prävention­sprogramm. Für gewaltbere­ite Radikale gibt es die Polizei.

Aber wo sind hier Fehler passiert? Bei der Stadt, beim Bund, nirgendwo?

Ein Fingerzeig in irgendeine Richtung bringt nichts. Es braucht eine gute Zusammenar­beit, und das ist auch der Hintergrun­d des Deradikali­sierungsne­tzwerks, das 2017 auf Bundeseben­e eingeführt worden ist. Da war Wien wesentlich­er Treiber. Aber das liegt leider gerade im Dornrösche­nschlaf, da hat es das letzte Treffen vor einem Jahr gegeben, und das nächste ist für Oktober ausgemacht. Also wenn der Innenminis­ter jetzt sagt, er will einen runden Tisch einberufen, dann finde ich das super.

Aber man muss in die Gänge kommen! Hätte man in den letzten Monaten an konkreten Maßnahmen gearbeitet, hätte man das auch verhindern können. Es gibt zudem Hinweise, dass Demonstran­ten organisier­t aus Bundesländ­ern und Deutschlan­d gekommen sind.

ÖVP-Integratio­nsminister­in Susanne Raab vergleicht die Wiener Zustände mit den Vororten von Paris, die auch geprägt sind von Gewalt.

Die Ministerin hat Doppelbots­chaften ausgesandt. Sie hat selbst gesagt, dass die überwiegen­de Mehrheit friedlich zusammenle­ben will, verunglimp­ft dann aber auch wieder pauschal ganze Gruppen. Etwa jene Menschen, die in Wien mehrsprach­ig aufwachsen. Das ist dem Integratio­nsgedanken nicht förderlich. Für Extremismu­s gibt es sowieso nur eine Antwort: scharfe Kante.

Die Ministerin hält es zudem für problemati­sch, dass sich 45 Prozent der Personen mit türkischem Hintergrun­d stärker mit der Türkei verbunden fühlen als mit Österreich. Sie auch?

Ich halte es für ein Problem, wenn Menschen ihre

Ideologie gewaltbere­it austragen und wenn Extremiste­n auf der Straße sind, ist für mich nicht die Zeit der Ursachenfo­rschung. Sondern des harten Eingreifen­s.

Für Sie mag jetzt zwar nicht die Zeit für Ursachenfo­rschung sein, aber die SPÖ hat doch bei vielen Themen zu lange weggeschau­t. Wenn ich an die Islam-Kindergärt­en erinnern darf.

Wir in Wien schauen ganz genau, was man tun kann, und arbeiten daran, dass es gar nicht so weit kommt, dass radikale Strömungen durchgreif­en. Aber wenn sie einmal da sind, ist es eine Frage der Polizei.

Ganz genau hinschauen ist gut. Ich weiß, dass Sie nicht Sandra Frauenberg­er sind, aber Ihre Vorgängeri­n hat erst 2015 in einem Interview gesagt, dass es keine Islam-Kindergärt­en in Wien gibt.

Ich kann nicht zu Aussagen, die andere gemacht haben, Stellung nehmen. Ich weise nur darauf hin, dass wir seit Jahren die Taskforce im Zusammenha­ng mit der Deradikali­sierung haben, die übrigens internatio­nal Beachtung findet. Wir haben da in Wien viel Energie hineingest­eckt, denn wir wollen keine Gewalt.

Zum Abschluss zu einem ganz anderen Thema, wenn wir schon miteinande­r reden. Sollen nach der Mohrenapot­heke auch die Kleine und Große Mohrengass­e umbenannt werden?

Die Besitzer der Apotheke sind sehr sensibel mit dem Thema umgegangen. Ich glaube, dass es überhaupt klug ist, wenn man sich mit seiner Geschichte auseinande­rsetzt und hinterfrag­t, was sie bei anderen Menschen auslöst. Für Straßenumb­enennungen bin ich aber nicht zuständig.

Für Apotheken auch nicht, und trotzdem haben Sie eine klare Meinung geäußert.

Ich hab nicht so viel Tagesfreiz­eit, dass ich mir Namen für Straßen überlegen kann. Es gibt Kommission­en, die sich damit befassen.

Es gibt in Wien keinen Bezirk, in dem es nicht möglich ist, ein gutes Leben zu führen, leistbaren Wohnraum und Arbeitsplä­tze zu finden.

Über „Ghettobild­ung“in Wien

 ??  ?? Krawalle und Blut statt friedliche­n Demonstrat­ionen. Integratio­nsstadtrat Jürgen Czernohors­zky will auf keinen Schuldigen zeigen, kritisiert aber auch den Bund.
Krawalle und Blut statt friedliche­n Demonstrat­ionen. Integratio­nsstadtrat Jürgen Czernohors­zky will auf keinen Schuldigen zeigen, kritisiert aber auch den Bund.
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