Auf den Leim gegangen
Weinend stand ein älterer armselig gekleideter Mann vor einem Kanalgitter und stochert mit einem langen Draht in dem Gitter herum.
„A Zwanzger is ma einegfalln!“, rief er den Neugierigen zu, die sich rund um ihn angesammelt hatten. Dabei wimmerte er vor Verzweiflung.
„Mei Frau hat mi einkaufn gschickt, und der Greißler hat ma an Zwanzger retour gebn. Was soll i jetzt tuan, i trau mi net ham, es kennts ja mei Frau net! Ihr wissts ja net, was i immer für Probleme mit ihr hab und wia i unter ihrer Fuchtel steh. I bin a armseliger Mensch, net amal zwischenmenschlich is ma a Freud vergunnt. I trau mi scho gar nimmer ham.“
Das Pech des Mannes rührte die Umstehenden. Spontan wurde eine Sammlung veranstaltet. Mit zwanzig Euro eilte der Mann („I dank eich! I dank eich! Ihr seids de Bestn. Was tät i nur ohne eich?“) von dannen.
„A halbe Stund später geh i über de Friedensbruckn, siach i scho wieder an Auflauf!“, berichtete Herr Julius M. dem Bezirksrichter.
„I schlengl mi vire, wäul i glaubt hab, es is aner zsammgführt wordn. Was siech i? Scho wieder den Altn, wia er mit an Draht de Leit anjammert. De Leut habn grad wieder zum Sammeln anfanga wolln, da hab i eahm von hint packt und hab eahm glei auf de Polizei gschleppt. Den warn sunst de Kanalgitter in Wien zwenich wurdn! A
Frechheit is des. Er sollt Schauspieler werdn. I bin a misstrauischer Mensch und bin eahm aufn Leim gangen.“
Der Beschuldigte, wegen Betruges, leugnete. „Gesetz der Serie!“, rief er dem Richter zu. „I hab mit dem vüln Klangeld aus der erstn Sammlung net hamgeh wolln, hab i mirs bei an Wirtn eingwechslt. Und wia der Teifl wüll, hab i wieda an Zwanzger kriagt und wieda is a ma durch mei Loch in Sack in an Kanal gfalln.
Sprechn S mi frei, Herr Rat! Des Loch is scho zuagnaht, a dritts Mal kummt des nimmer vur! I schwörs, Herr Rat. Bei meiner Seele.“
Der Freispruch wurde aus rechtlichen Erwägungen gefällt. Freiwillige Spenden dieser Art können nicht als Betrugsschaden im Sinne des Gesetzes angesehen werden, sagte der Richter.