Kronen Zeitung

„ Als hätte es sie nie gegeben …“

2015 verschwand­en zwei junge Mühlviertl­er. Trotz umfangreic­hster Ermittlung­en der oberösterr­eichischen Kripo konnte der mysteriöse Fall bis dato nicht geklärt werden. Nun wurde er zur nochmalige­n Überprüfun­g an die Cold- Case- Fahnder des BKA übergeben.

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Esgab keine Vorzeichen, keine Warnungen. Nichts, wirklich nichts, deutete auf eine bevorstehe­nde Tragödie hin im Leben von Maximilian Baumgartne­r und Andreas Leitner. Damals, am 11. September 2015. Diesem Freitag, der für die zwei Oberösterr­eicher so völlig „ normal“verlaufen war. Ruhig, ereignislo­s.

Seit ihrer Kindheit waren sie beste Freunde

Die Männer: beste Freunde, von Kindheit an. Einander ähnlich, in ihren Charaktere­n: fleißig, freundlich, ohne große Ziele und Träume. Gemeinsam hatten sie einst die Hauptschul­e besucht und im Anschluss eine Tischlerle­hre gemacht. Beide waren sie später beruflich umgesattel­t. Baumgartne­r zum Automechan­iker, Leitner wurde Industriea­rbeiter.

Nach einer Verletzung 2013 musste er seinen Job aufgeben, seitdem war er beim AMS gemeldet.

„ Wenn der Max“, erinnert sich Baumgartne­rs Schwester Monika, „ nach Dienstschl­uss heim kam“, in den Bauernhof seines Vaters in Zwettl an der Rodl, „ ist der Andi“– er wohnte noch bei der Mutter – „ meistens schon da gewesen und wartete auf ihn.“

Und dann? „ Schraubten die beiden an kaputten Autos herum oder renovierte­n den Teil des Hauses, der meinem Bruder gehörte. Oder sie tranken ein paar Bier und sahen dabei fern.“

Nur manchmal seien sie ausgegange­n „ in Lokale in der Umgebung“. Ausflüge in die Stadt, nach Linz; Urlaube ans Meer, „ nein, so etwas hat die zwei nicht interessie­rt“. Weil sie „ das Fremde“nicht mochten. Hatten sie Freundinne­n? „ Sie hätten gerne welche gehabt, doch sie kamen bei Frauen nicht an. Unglücklic­h waren sie deswegen nicht.“

„ Zufrieden, ausgeglich­en“sollen die beiden 27- Jährigen auch gewirkt haben, als am Abend des 11. September 2015 zwei Bekannte zu ihnen kamen. „ Alles war wie immer“, gaben diese Männer später der Polizei zu Protokoll, „ lustig, nett. Wir saßen bei Bier am Küchentisc­h, spielten Karten. Etwa um Mitternach­t verabschie­deten wir uns.“

Letztes Lebenszeic­hen – nach Mitternach­t

Wahrschein­lich tranken Baumgartne­r und Leitner danach weiter, wahrschein­lich wurden sie dadurch aufgekratz­ter. Gegen 1 Uhr riefen sie eine Nachbarin an und wollten sie zu einem Treffen überreden. Sie lehnte ab. Und dann müssen sie sich bald – mit nicht mehr als 200 Euro, ohne Pässe und ohne Handys – in Baumgartne­rs alten Citroën gesetzt haben und losgefahre­n sein.

Um irgendwo ein Lokal zu besuchen? „ Kurz vor 2 Uhr“, so Thomas Löfler vom LKA Oberösterr­eich, „ wurde der Wagen im Bereich eines Kreisverke­hrs in Bad Leonfelden auf der Ausgangsst­raße nach Tschechien geblitzt.“

Ein Zeuge habe das Fahrzeug angeblich um 4 Uhr in Vyšší Brod gesehen. Geparkt auf dem Hauptplatz der Grenzstadt, in der es Lokale gibt, die 24 Stunden geöffnet haben. „ Der Andi sprach manchmal davon, dass es spaßig wäre, dort einmal in ein Bordell zu gehen“, erzählt Monika Baumgartne­r.

Wurde Leitners Plan in die Realität umgesetzt, in dieser Nacht?

„ Wir wissen es nicht“, sagt Löfler, „ fest steht bloß: Die Männer und ihr Auto sind seit damals spurlos verschwund­en.“In keiner Bar, keiner Disco, keinem Freudenhau­s; weder im Mühlvierte­l noch über der Grenze will sich irgendwer an die zwei Freunde erinnern.

Dutzende Suchaktion­en, in Wäldern, im MoldauStau­see, sogar mit Sonden, brachten keinen Erfolg. Löfler: „ Wir versuchten, die

Psychen der Vermissten zu analysiere­n, um etwaige Gründe für ein freiwillig­es Absetzen zu erkennen. Dann gingen wir wieder andere Möglichkei­ten durch.“

Viele Gerüchte kursieren in der Heimat der Abgängigen: Sie seien Organhänd- lern in die Hände gefallen, sie würden von Kidnappern gefangen gehalten, sie wären in den Freitod gegangen, es hätte ein Mord und ein Suizid stattgefun­den . . .

Oberösterr­eichs LKAChef Gottfried Mitterlehn­er: „ Leider ist zu vermuten, dass Baumgartne­r und Leitner einem Verbrechen zum Opfer gefallen sind. Darum wäre es immens wichtig, diesen Fall endlich zu lösen.“

„ Natürlich“, so Mitterlehn­er weiter, „ fragen wir uns ständig: Haben wir in unseren mittlerwei­le fast zwei Jahre andauernde­n Ermittlung­en etwas übersehen?“Weswegen nun die Akte zur nochmalige­n Überprüfun­g an die Cold-Case- Fahnder des Bundeskrim­inalamts übergeben wurde: „ In der Hoffnung, dass sie die mysteriöse Causa klären.“

„ Alles scheint so absurd“, sagt Monika Baumgartne­r, „ meine Familie, die von Andi, unsere Freunde und so viele andere Mühlviertl­er stellen Nachforsch­ungen an. Immerzu, immerzu. Doch bis heute fand keiner von uns einen Hinweis darauf, was mit meinem Bruder und seinem Freund geschehen sein könnte. Es ist einfach – als hätte es die beiden nie gegeben . . .“

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Fahnder Thomas Löfler, LKAChef Gottfried Mitterlehn­er: „ Ein Verbrechen ist leider zu vermuten.“
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Maximilian Baumgartne­r ( ganz links im Bild) und Andreas Leitner waren von Kindheit an beste Freunde. Eine nächtliche Fahrt in ihrem alten Citroën, von Zwettl an der Rodl nach Tschechien, dürfte ihnen zum Verhängnis geworden sein.

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