Das Ende der Solidarität?
Die Debatte um mögliche Einsparungen und Optimierungen im Gesundheitssystem ist eine Camouflage. Sie verdeckt, was längst beschlossene Sache ist: die schrittweise Privatisierung. Parallel mit einer sukzessiven Entsolidarisierung der Gesellschaft.
Politiker und Sozialversicherungen irren, wenn sie den Schwarzen Peter immer wieder den Ärzten zuschieben wollen und damit nahelegen, deren Leistungen und Leistungsberechnungen seien nicht transparent. Deshalb ruft man nach Optimie- rung und spart nach der Rasenmähermethode. Allerdings ohne zu wissen, wo das Gras zu hoch wuchert und wo der Boden ohnehin blank ist. Es wird – im wahrsten Sinne – drübergefahren, was zwangsläufig zu einer Verschlechterung des Gesamtangebots führt.
Leistungen der Medizin und vor allem der Mediziner sind nicht messbar wie der Output einer Fabrik: so viele Mitarbeiter, so viele Maschinen, so viele Rohstoffe und so viele Produkte. Das geht bei der Gesundheit eben nicht, und Ärzte sind keine Dienstleister im Auftrag einer Managerinstanz. Sie können Erfolg weder voraussagen noch planen. Sie können ihr Bestes tun und sich jeweils mit ihrem Wissen auf neue individuelle Befindlichkeiten einstellen.
Hingegen müssen in Richtung Politik brisante Fragen erlaubt sein:
Warum liegt Österreich eigentlich in Prävention und Gesundheitsvorsorge laut OECD- Statistik so weit hinten? Warum haben wir signifikant hohe Krankenhaus-Zuund - ausweisungen und dramatisch zu viele Akutbetten? Warum haben wir so viele Ärzte, die entweder ins Ausland gehen oder auf KassenVersicherungsverträge verzichten und als Wahlärzte arbeiten? Warum ziehen es junge Ärzte vor, angestellte Krankenhausärzte zu werden, statt eine Ordination mit Kassenvertrag und schamhaft niedrigen Honoraren anzustreben – und das bei steigenden Belastungen und sinkender Lebensqualität?
Es muss endlich diskutiert werden, statt einander im Hickhack über Fantasiezahlen und Scheinreformen – wie PHC oder Wartezeitenregulierungen – zu zerfleischen. Politik muss klipp und klar sagen: Wir wollen weiterhin ein umfassendes Gesundheitsund nicht Krankenversorgungssystem – und wir wollen freie Ärzte und Arztwahl. Univ.- Prof. Dr. Thomas Szekeres ist Präsident der Ärztekammer für Wien