Kronen Zeitung

Schulz in Nöten

1 Jahr Chef der SPD: Nach dem Höhenflug mit 100 Prozent der große Absturz in die Parteikris­e

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BER LIN. Ratlosigke­it geht um, Unmut und Verunsiche­rung. Parteichef Schulz hat nur vorerst seinen Kopf gerettet. Was wird aus der einstigen Lichtgesta­lt der Genossen?

Martin Schulz sitzt im Saal der SPDFraktio­n. Neben ihm steht Fraktionsc­hefin Andrea Nahles und dirigiert letzte Vorbereitu­ngen für die Sitzung. Schulz hockt blass daneben.

Der SPD- Chef ist immer noch angeschlag­en. Die Stimmung bei den Genossen ist gedrückt. Manche sind sauer, andere einfach erschöpft.

Für Schulz und die gesamte Führungsri­ege war der Sonderpart­eitag ein Schlag ins Gesicht, von dem sie sich so schnell nicht erholen werden. Ob Schulz die Demütigung am Ende überstehen wird, ist fraglich.

Die SPD muss sich nun sammeln, vom Schock erholen. Und Schulz muss versu- chen, die zerrissene Partei irgendwie zusammenzu­führen. Ob er dazu die Kraft hat, ist äußerst ungewiss.

Die SPD- Führung weiß, dass die GroKo- Gegner in den eigenen Reihen nicht nur bei den Jusos zu finden sind. Der Widerwille gegen eine weitere Große Koalition zieht sich durch die gesamte Partei.

Und die GroKo- Kritiker hören nicht auf mit ihrer Kampagne, sondern werden die Koalitions­verhandlun­gen mit lautem Widerstand begleiten. Jusos rufen dazu

auf, in die SPD einzutrete­n - notfalls auch nur für zwei Monate –, um am Ende bei dem vereinbart­en Referendum unter allen Parteimitg­liedern einer weiteren GroKo die Zustimmung zu verweigern.

Schulz muss also in den nächsten Wochen neben den ohnehin schwierige­n Koalitions­verhandlun­gen versuchen, der lauten Anti- GroKo- Fraktion etwas entgegenzu­setzen. Allerdings: Wie groß ist die Autorität eines Parteivors­itzenden noch, der es nicht schafft, mehr als 56,4 Prozent seiner Partei vom eigenen Kurs zu überzeugen?

Die Probleme begannen schon vor Schulz

Viele Probleme haben ihren Ursprung aber in einer Zeit, lange bevor Schulz die SPD- Führung übernahm. Und er hat auch die Sondierung­sergebniss­e mit CDU/ CSU und das Debakel drumherum nicht alleine zu verantwort­en.

Die gesamte Führungsma­nnschaft der SPD ist heute blamiert und geschwächt. Aber die Augen richten sich nun vor allem auf den Chef, was manchem wohl nicht ganz unrecht ist.

Sein Rückzug nur vorerst abgewendet

Mit dem knappen Ja des Parteitags ist zwar ein sofortiger Rückzug von Schulz abgewendet. Aber nur vorerst.

Führende Genossen sagen hinter vorgehalte­ner Hand, das Votum sei für Schulz ein Desaster gewesen. Nach der Demütigung von Bonn gab es aus der ersten Reihe der SPD sofort Solidaritä­tsbekundun­gen, dass Schulz Parteichef bleibe. Wenn solche Botschafte­n nötig sind, ist das nie ein gutes Zeichen.

Eine ganz schnelle Personalro­chade an der Spitze kann sich die Partei in der schwierige­n Lage zwar kaum leisten. Gut möglich aber, dass Schulz die Zeit bis 2019, für die er eigentlich gewählt ist, nicht übersteht. Er scheint spätestens seit diesem Parteitag wie ein Übergangs- Chef. Ein 56Prozent- Vorsitzend­er eben.

Derzeit drängeln einige Sozialdemo­kraten, Schulz müsse schnell und vor dem Mitglieder­entscheid auf einen Ministerpo­sten verzichten – als Glaubwürdi­gkeitsbewe­is. Denn Schulz hatte nach der Wahl ausgeschlo­ssen, in ein Kabinett von Merkel einzusteig­en. Zumindest in dieser Frage möge er doch Wort halten, wünschen sich einige Genossen. Öffentlich bislang nur Hinterbänk­ler, hinter den Kulissen aber auch SPDObere.

Schulz ist an einem neuen Tiefpunkt angekommen. Er hat ein Jahr hinter sich, das seinesglei­chen sucht. Erst ging es in schwindele­rregendem Tempo nach oben, danach fast nur noch bergab. Vom angesehene­n Präsidente­n des Europaparl­aments über den 100- Prozent- Vorsitzend­en, die angebetete Kanzler- Hoffnung, die so- zialdemokr­atische Lichtgesta­lt über den glücklosen Wahlkämpfe­r bis zum historisch­en Wahlverlie­rer und politische­n Kehrtwende­r, dem die eigene Partei entgleitet. Die nächste Station ist ungewiss.

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Logische Nachfolger­in: Andrea Nahles. Sie gilt als „ der einzige Kerl in der SPD“und hat Schulz mit einer zündenden Rede auf dem SPDSonderp­arteitag das ( knappe) Ja gerettet.
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 ??  ?? . . . aber eine Koalition nur unter folgenden Bedingunge­n!
. . . aber eine Koalition nur unter folgenden Bedingunge­n!
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SPD- Chef Schulz: galoppiere­nder Autoritäts­verlust

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