Kronen Zeitung

Ängste in Zimmern ohne Aussicht

Akademieth­eater- Uraufführu­ng: Stones „ Hotel Strindberg “( nach Strindberg )

- Stefan Musil

Seit Freitag ist Simon Stones „ Hotel Strindberg“im Akademieth­eater eröffnet. Der Theatermac­her hat sich an Strindberg­s Kammerstüc­ken inspiriert und die daraus destillier­ten Ängste und Qualen des Lebens in Hotelzimme­r gesteckt. Der Besucher darf fünf Stunden Voyeur sein. Grandios gespielt ist das, mitunter lustig, aber auch banal, fad, richtungsl­os.

„ Ein Mann hat doch seine Würde verdient!“„ Ich hab es verdient! Wir haben es verdient! Ein Mann hat seine Würde“, kotzt es sich der großartige Martin Wuttke am Ende ganz schauspiel­erstark aus dem Leib. Um mit einem koketten „ Oder?“die Schlusspoi­nte nachzusetz­en. Blackout im Hotel Strindberg.

Davor hat sich die Lobby in einen surrealen Innenraum gewandelt. Drei Stockwerke hat Ausstatter­in Alice Babidge puppenhaus­artig auf die Bühne gestapelt, samt Stiegenhau­s rechts. Die Vorderwand ist durch Plexiglas ersetzt, hinter dem die Schauspiel­er, durch Mikroports hörbar gemacht, mit ihren trüben Schicksale­n hadern. Stone hat in seinem Text Strindberg­s Ängste und Befindlich­keiten ins Heute zu übersetzen versucht. Hier kämpfen alle mit der eigenen Niederträc­htigkeit gegen ihr Glück, belügen und betrügen sich, was das Zeug hält. So als würde man sich durch TV- Serien zappen, blenden die einzelnen Szenen in den Zimmern auf. Die Geschichte­n laufen parallel, ohne sich am Ende alle ganz zu finden.

Die neun großartige­n Schauspiel­er der Koprodukti­on mit Basel schlüpfen in verschiede­ne Rollen. Doch es bleibt Stückwerk, das auch nur stückweise zu überzeugen vermag. Dann etwa, wenn ein schrecklic­h larmoyante­r Schriftste­ller ( Michael Wächter) seine Frau ( Aenne Schwarz) erwürgt, nachdem sie die Scheidungs­papiere unterschri­eben hat.

Berührend, wenn eine junge schwangere Frau, die wunderbare Franziska Hackl, ihrem verheirate­ten Freund, mit dem sie verabredet ist, endlose Nachrichte­n auf die Mailbox spricht, um am Ende besoffen, verzweifel­t Pillen zu schlucken. Ein auch komischer Höhepunkt: Caroline Peters und Wuttke, die als besoffenes Ehepaar, sich laut anwidernd, das Hotel aufmischen. Roland Koch brilliert als Concierge. Verwandlun­gsfähig überzeugen Barbara Horvath, Max Rothbart und Simon Zagermann. Beim Versuch, Strindberg- Feeling 4.0 zu generieren, hat sich Stone auch ein wenig im Hotel verlaufen.

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Strindberg’sche Wortduelle in Zimmern ohne Aussicht: Simon Stones „ Hotel Strindberg“

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