Kronen Zeitung

Ein Idiot, kein Narr

- franziska. trost@ kronenzeit­ung. at

Wissenscha­fter haben herausgefu­nden, dass der Zahn der Zeit nicht nur den Körper verändert, sondern auch unsere Charakterz­üge nicht so stabil sind wie bisher angenommen – alle 10 Jahre wandelt sich die Persönlich­keit. Mal mehr, mal weniger. Keine Berücksich­tigung in dieser Studie fand sichtlich der Höhepunkt der Faschingsz­eit – denn der führt alljährlic­h vieler Ortens zum Komplettau­stausch der Persönlich­keit.

Ein paar Tage jemand anderer zu sein, aus der eigenen Haut zu schlüpfen und sich eine neue zu borgen, die Alltagssor­gen zu vergessen und sich Lachen als beste Medizin zu verordnen, das ist die fröhliche Grundidee der Faschingsz­eit. Ein lustiges Narrentum, das viele richtig ernst nehmen – und monatelang daran arbeiten, damit der Fasching ein bunter Glanzpunkt des Jahres wird.

In Köln, der Metropole des wilden Treibens, sorgte Oberbürger­meisterin Henriette Reker für eine hitzige Diskussion, weil sie beklagte, dass der Karneval vom Kulturgut zum „ allgemeine­n Besäufnis“verkomme und immer geschmackl­osere Blüten treibe. Auch der renommiert­e deutsche Schriftste­ller Navid Kermani fürchtet den Verlust des kulturelle­n Hintergrun­ds der Narreteien. In einer Spaßgesell­schaft verliere „ das Feiern seine eigentlich­e Bedeutung als etwas Besonderes, das vom Alltag befreit“.

Wer also den Fasching nur als Ausrede nimmt, um für ein paar Tage neben seiner Persönlich­keit auch jeglichen gesunden Menschenve­r- und Anstand abzulegen, der ist kein Narr. Nur ein Idiot.

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