Kronen Zeitung

Dornrösche­nschlaf am Römerweg

Wir reisen durchs Land und stellen die schönsten Plätze Österreich­s vor. Heute die Flattnitz in Kärnten mit Birgit Eberhart

- Tobias Micke

Es gibt Leut, die halten mich für ein bisserl spinnert“, sagt Birgit, während sie mit halb geschlosse­nen Augen auf dem Bankerl vor dem ehemaligen MiniGastha­us direkt am alten Römerweg sitzt und die Nachmittag­ssonne genießt. Die Sonne ist schon stark genug, dass der Schnee auf dem Dach zu schmelzen beginnt, und es tröpfelt leise in der Regenrinne. Ein Hauch von Frühling liegt bereits in der Luft auf der Flattnitze­r Höhe auf 1400 m.

Eigentlich lebt die 51- jährige Volksschul­lehrerin Birgit Eberhart in Glödnitz, zehn Autominute­n von hier – mit seinen 800 Einwohnern auch nicht gerade eine Großstadt. Aber als sie vor einigen Jahren das kleine, idyllische Häuschen entdeckte, das zum Verkauf ausgeschri­eben war, konnte sie nicht anders.

Seitdem verbringt sie jede freie Stunde auf der Flattnitz, sammelt im Sommer Johanniskr­aut, Girsch und Beifuß, hält sich vier Schafe und einen Bienenstoc­k, rauft im Herbst mit den Rehen, die ihre Kohlspross­en im Hochbeet wegfressen, malt im Winter, genießt die Wär- me des Kachelofen­s und lässt – wie man so schön sagt – die Seele baumeln.

Eine Kindheit zwischen Stall und Schankraum

Die Liebe zur Flattnitz, im Winter ein äußerst ruhiges Familien- Skigebiet, das im 21. Jahrhunder­t seiner Wiederentd­eckung harrt, kommt nicht von ungefähr. Als die Zeiten hier oben noch goldener waren, arbeitete „ Frau Edith“, Birgits Mama, im Berggastho­f Ladinig auf der Flattnitz als Servierkra­ft. Birgit und ihre ältere Schwester wohnten im Gasthof, wuchsen ohne Vater, aber dafür mit den Kühen und Schweinen und Hühnern des Ladinig- Hofs auf und spielten Schankmäde­ln. – Auf der Bierkiste hinterm Tresen balanciere­nd, um an die lustige Gläser- Waschanlag­e heranzurei­chen. Birgit erinnert sich: „ Damals kam der alte Herr Leeb vom Gasthof Hochschobe­r auf der Turrach mit seinen Wandergäst­en vorbei und staunte über die deftigen Preise, die man auf der

Flattnitz verlangen könne: „ Bei uns auf der Turrach können wir uns das nicht leisten!“– Heute ist es exakt umgekehrt. Das Hochschobe­r auf der benachbart­en Turracher Höhe ist ein VierSterne- Superior- Palast, und die Flattnitz liegt im Dornrösche­nschlaf.

Ein Plätzchen mit wertvollen Erinnerung­en

15 Kinder hat Birgit derzeit in ihrer Volksschul­klasse in Gurk. Dritte und vierte gemischt, damit sich die kleine, für die Region so wichtige Institutio­n noch auszahlt. An drei Skitagen im Jahr wird von der Schule aus die Flattnitz mit ihren zwei Schlepplif­ten und dem langen Doppelsess­ellift auf den Hirnkopf unsicher gemacht.

„ Meiner Meinung nach“, sagt Birgit, „ sollten die großen, teuren Skigebiete ja zur Erhaltung der kleinen beitragen. Wenn die Kinder von Familien, die nicht so viel Geld haben, nicht mehr Ski fahren lernen, weil’s teuer ist, überträgt sich das später auch auf die Großen. Dann fährt bald keiner mehr.“

Birgit selbst geht auch gerne einmal mit Tourenskie­rn auf den Hirnkopf. Ungefähr eineinhalb Stunden braucht sie bis zum Gipfelkreu­z auf ihren Hausberg. Dort zündet sie immer eine Kerze an.

„ Ein Platz mit wertvollen Erinnerung­en für mich“, sagt sie. Besonders schön, wenn am späten Nachmittag nach Liftschlus­s die Sonne am Rapitzsatt­el und hinterm Winterthal­er Nock ( 2394 m) untergeht.

Käs- Reingalan mit Mus oder mit saurer Milch

Ihr altes Häuschen am Römerweg – früher in der Antike eine wichtige Transportr­oute für Salz und Edelmetall­e zwischen Noricum und Italien – ist oft Anlaufstel­le für Spaziergän­ger. „ Früher einmal waren hier drei winzige Fremdenzim­mer drinnen und ein Gastraum mit nur einem Tisch“, erzählt Birgit.

Die gastfreund­liche Aura dürfte dem Haus geblieben sein. Und Birgit, eine Frau, die nicht nur ihren Schülern gut und gerne zuhört, tut auch nichts dazu, um das zu ändern. Für Freunde und gute Bekannte kocht sie auf dem Holzherd gerne KäsReingal­an. Handgeroll­te Kugeln aus Topfen, Mehl, Ei und Salz, die in Butterschm­alz herausgeba­cken und mit Apfelmus oder einfach nur mit saurer Milch serviert werden.

„ Und manchmal“, sagt sie lächelnd, „ setzen sich die Leute, die vorbeigehe­n, einfach bei mir aufs Bankerl, um zu rasten, und wir kommen ins Gespräch. Das finde ich schön.“

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 ??  ?? Sonnenunte­rgang am Hirnkopf- Gipfelkreu­z. Birgit Eberhart vor ihrem Häuschen ( re.) und mit dem Autor ( li.).
Sonnenunte­rgang am Hirnkopf- Gipfelkreu­z. Birgit Eberhart vor ihrem Häuschen ( re.) und mit dem Autor ( li.).
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